Französische Philosophie


Französische Philosophie

Im Mittelalter und der beginnenden Neuzeit spielten Nationen und Völker noch bei weitem nicht die Rolle, die sie später leider mal haben sollten. Damals gab es das christliche Abendland, die allgemeine Wissenschaftssprache war Latein. Von nationalen Philosophien zu sprechen, ist deshalb problematisch.

Während in England schon seit dem Mittelalter der Empirismus dominierte, so dominierte auf dem europäischem Kontinent der Rationalismus, u. a. in Deutschland und Frankreich. Die Folgen dieser unterschiedlichen Traditionen zeigen sich bis in die jüngste Vergangenheit in den in der angelsächsischen Welt und in Kontinentaleuropa vorherrschenden philosophischen Strömungen.

Ab wann man von einer spezifisch Französischen Philosophie sprechen kann, ist in gewissen Grenzen willkürlich. Die Vertreter der verschiedenen Positionen im Universalienstreit zähle ich zur mittelalterlichen Philosophie. Französische Philosophie lasse ich beginnen mit der Neuzeit.

In den vergangenen fünf Jahrhunderten und in der Gegenwartsphilosophie gab bzw. gibt es in Frankreich Philosophen und philosophische Strömungen, Richtungen etc. mit unterschiedlicher Grundvorstellungen. Es gibt viele Einzelpersonen, die über die Landesgrenzen hinaus bekannt und wirksam waren und es gibt in Frankreich entstandene Richtungen, die dann auch anderswo in der Welt bedeutsam waren. Es gibt auch viele französische Schriftsteller, die das philosophische Denken beeinflusst haben.


Bedeutende französische Philosophen

Ein früher französischer Vertreter der Staatsphilosophie war Jean Bodin. Der französische Philosoph Michel de Montaigne war der Begründer des neuzeitlichen Skeptizismus und mit seinen Essays Gründer eines neuen literarischen Stils.

Der französische Philosoph Rene Descartes gilt vielen Fachleuten als der Begründer der neuzeitlichen Philosophie, des Rationalismus und der Subjektphilosophie.

In Anschluss an Descartes entwicklete sich der Okkasionalismus. Einer seiner Vertreter war der zu seiner Zeit bedeutsame französische Philosoph Nicolas Malebranche (1638–1715), der auch an Platon und Augustinus anknüpfte.

Wie Descartes war auch der Franzose Blaise Pascal ein hervorragender Mathematiker, zugleich ein Kritiker des Rationalismus, des grenzenlosen Erkenntnisanspruchs der Vernunft. Dies war allerdings zum Teil durch seinen religiösen Dogmatismus verursacht. Pascal zeigte trotzdem viele Beispiele für die sinnhaftigkeit des Skeptizismus und vertrat bereits die Falsifikationsmethode.

Vorbereiter der Aufklärung in Frankreich waren Pierre Bayle und Bernard le Bovier de Fontenelle.

Ein bedeutender französischer Staatsrechtler war Montesquieu, der im Sozialkundeunterricht häufig als der Begründer der Theorie von der Gewaltenteilung, bezeichnet wird. (Die theoretische Konzeption der Gewaltenteilung übernahm Montesquieu aber von dem Engländer  John Locke.)

Die Enzyklopädisten waren eine Gruppe größtenteils französischer Philosophen, die im 18. Jahrhundert eine »Enzyklopädie« erarbeiteten, die ein Kampfmittel gegen alles Alte und Überholte sein sollte. Ihr Grundtenor war skeptisch, wenn auch unter den Autoren vielfältige philosophische Auffassungen bestanden. Bekanntester Vertreter der Enzyklopädisten war Denis Diderot.

Beiträge zur Enzyklopädie schrieben auch der bedeutende französische Schriftsteller Vollaire und Jean-Jacques Rousseau, die als die beiden bedeutsamsten Wegbereiter der französischen Revolution von 1789 gelten, die sich aber in vielen Punkten unterschieden. Setze Voltaire auf die Vernunft, so war Rousseau mehr ein Vertreter des Gefühls.

Der »Französische Materialismus« war eine philosophische Strömung im 18. Jahrhundert, die den in der Antike bereits bestehenden  Materialismus wieder aufgriff. Von den anderen zur damaligen Zeit in Frankreich vorhandenen Strömungen unterschied sie sich durch ihren ausgesprochenen Atheismus. Bekanntester Vertreter war Julien Offray de La Mettrie.

Die Begründer der Soziologie Auguste Comte und Émile Durkheim waren Franzosen. Comte begründete auch den Positivismus.

Der Französische Philosoph Destutt de Tracy prägte den Begriff Ideologie.

Denkanstöße über die sozialen Probleme kamen von den französischen sozialistischen Theoretiker Henri de Saint-Simon, Charles Fourier und Pierre Joseph Proudhon.

Die Philosophie der Mathematik bereicherte der Französischer Mathematiker und Philosoph Henri Poincaré.

Der Französische Philosoph Ernest Renan dachte bereits an höhere Arten, die die Menschheit übersteigen und das Ergebnis zukünftiger Wissenschaft sein könnten / würden / sollten.

Um die Jahrhundertwende vom 19. Jahrhundert zum 20. Jahrhundert war in Frankreich wie auch in Deutschland die Lebensphilosophie eine bedeutende philosophische Strömung. Der Franzose Henri Bergson gilt als ihr wichtigster Exponent. Weitere französische Vertreter dieser Richtung waren Maurice Blondel und Jean-Marie Guyau.

Zu einem sehr wirkungsreichen Philosophen wird in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts der russisch stämmige Alexandre Kojeve, ohne den die Philosophie in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Frankreich eine andere gewesen wäre. Sein Landsmann Alexandre Koyre bereicherte die Wissenschaftstheorie.

Der Existentialismus ist zwar von der deutschen Existenzphilosophie inspiriert, in seiner atheistischen Ausrichtung aber eine originär französische Schöpfung. Vertreter waren besonders Jean Paul Sartre und Albert Camus. Bedingt kann auch Maurice Merleau-Ponty dazu gerechnet werden, der aber auch der Phänomenologie zugerechnet werden kann. Einen christlichen Existentialismus vertrat Gabriel Marcel.

Emmanuel Levinas (1906–1995) vertrat ursprünglich die Phänomenologie und machte Husserl und Heidegger in Frankreich bekannt.

Der Strukturalismus und der Poststrukturalismus sind französische Produkte. Der letztere gilt als Widerlegung oder als modifizierte Weiterentwicklung des ersten. Viele französische Philosophen des letzten Drittels des 20. Jahrhunderts werden sowohl der einen, wie der anderen Strömung zugerechnet. Als Vorläufer, Vorbereiter gilt der Schweizer Sprachforscher Ferdinand de Saussure. Anknüpfend an Saussure begründet der Franzose jüdisch Abstammung Claude Lévi-Strauss den Strukturalismus. Weitere bedeutende Vertreter waren (in der Reihenfolge ihres Geburtsdatums): Jacques Lacan, Roland Barthes, Jean-Francois Lyotard, Gilles Deleuze, Michel Foucault, Jean Baudrillard, Jacques Derrida und Félix Guattari. Bedingt dazu gezählt werden kann Paul Ricoeur.

Ein strukturalistischer und marxistischer Denker war Louis Althusser.

Die »Neue Philosophie« ist eine in Frankreich bestehende philosophische Strömung, deren Vertreter besonders für die Ablehnung des Totalitarismus in jeder Form stehen und die im Gegensatz zu vielen anderen berühmten französischen Philosophen der letzten Jahrzehnte politisch, gesellschaftlich engagiert sind. Bekanntester Vertreter ist André Glucksmann.


Französische Schriftsteller

Es gibt eine ganze Menge französischer Schriftsteller, die ohne selbst Philosophen gewesen zu sein, der französischen Philosophie und der Philosophie schlechthin viele Anstöße gegeben haben. In alphabetischer Reihenfolge einige davon:

Anouilh, Jean (1910–1987). Französischer Schriftsteller. Zitat: »Die Dinge sind nie so, wie sie sind. Sie sind immer das, was man aus ihnen macht.«

Balzac, Honoré de (1799–1850). Französischer Schriftsteller.

Baudelaire, Charles (1821–1867). Französischer Schriftsteller. Gilt als einer der bedeutendsten französischen Lyriker und als Wegbereiter der literarischen Moderne. Zitat: »Bei den Frauen gibt es zwei Möglichkeiten, entweder sie sind Engel, oder sie leben noch.« [Das meiste, was ich von ihm gelesen habe, hat mir nicht zugesagt.]

Beauvoir, Simone de (1908–1986). Französische Schriftstellerin. Vertreterin des Existentialismus. Lebensgefährtin Sartres.

Bernanos, Georges (1888–1948). Französischer Schriftsteller.

Chamfort, Nicolas (1741–1794). Französischer Schriftsteller. Letzte Worte: »Ach, mein Freund, ich verlasse diese Welt, in der Herzen gebrochen oder zu Stein werden.«

Chateaubriand, François Rene (1768–1848). Französischer Schriftsteller, bedeutender Vertreter der Frühromantik. Zitat: »Das Alter ist eine Reisende der Nacht, die Erde verbirgt sich und der Himmel wird sichtbar.«/p>

Cocteau, Jean (1889–1963). Französischer Schriftsteller. Schrieb surrealistische Gedichte und Romane. Zitat: »Sanft schließt man Toten die Augen; sanft muss man auch den Lebenden die Augen öffnen.«

Corneille, Pierre (1606–1684). Französischer Dramatiker, »der Shakespeare Frankreichs«, neben Racine bedeutendster Vertreter des klassischen französischen Dramas.

Courteline, Georges (eigentlich Moinaux) (1858–1929) Französischer Schriftsteller. Schrieb humoristische Bühnenstücke und Novellen, mit pessimistischer Grundhaltung. Kleinbürger und staatliche Institutionen werden verspottet. (Militär, Polizei, Justiz.)

Flaubert, Gustave (1821–1880). Französischer Schriftsteller, der in Romanen und Erzählungen die Romantik überwinden wollte. Zitat: »Ein wenig Wissen entfernt vom Glauben, sehr viel führt zum Glauben zurück.«

France, Anatole (1844–1924) Französischer Schriftsteller, Nobelpreisträger.

Gide, André (1869–1951). Französischer Schriftsteller. Aphorismus: »Glaube denen, die die Wahrheit suchen und zweifle an denen, die sie gefunden haben.«

Giraudoux, Jean (1882–1944). Französischer Politiker und Schriftsteller.

Hugo, Victor (1802–1885). Französischer Schriftsteller, bedeutender. Vertreter der französischen Romantik. Zitat: »Denken ist die Arbeit des Intellekts, Träumen sein Vergnügen.«

Ionesco, Eugène (1909–1994). Französisch-Roumänischer Schriftsteller, der als bedeutendster französischer Dramatiker in den Jahrzehnten nach dem 2. Weltkrieg gilt.

Joly, Maurice (1829–1878). Französischer Jurist und Schriftsteller.

Joubert, Joseph (1754–1824). Französischer Aphoristiker. Zitat: »Der Logiker operiert, der Metaphysiker betrachtet.«

La Bruyère, Jean de (1645–1696). Französischer Schriftsteller. Bedeutender Moralist. Gab eine genaue psychologische Schilderung von Leben und Sitten der damaligen französischen Gesellschaft. Aphorismen: »Das Leben ist eine Tragödie für die, die fühlen und eine Komödie für die, die denken.« »Die Zeit stärkt die Freundschaft und schwächt die Liebe

Lamartine, Alphonse de (1790–1869). Französischer Schriftsteller und Politiker. Zitat: »Die Utopien sind oft nur vorzeitige Wahrheiten.« [Oft gehen sie an der Realität der Zukunft völlig vorbei! Wie der Kommunismus. Ich hoffe Meine Utopie wird wahr.]

La Rochefoucauld, François de: (1613–1680). Französischer Schriftsteller, Aphoristiker und Militär. Zitat: »Wir sind so gewöhnt, uns vor anderen zu verstellen, dass wir es zuletzt auch vor uns selber tun.«

Lévis, François-Gaston de (1719–1787). Französischer Milität und Aphoristiker.

Maupassant, Guy de (1850–1893). Französischer Schriftstelle und Naturalist, Schrieb psychologische Novellen.

Maurois, André (1885–1967). Französischer Schriftsteller. Zitat: »Die wahren Lebenskünstler vergleichen sich grundsätzlich nur mit Menschen, denen es schlechter geht als ihnen.«

Molière, Jean-Baptiste Poquelin (1622–1673). Französischer Schriftsteller. Schrieb Komödien. Zitat: »Ein gelehrter Dummkopf ist ein größerer Dummkopf als ein unwissender Dummkopf.« »Wir sind nicht nur verantwortlich für das, was wir tun, sondern auch für das, was wir nicht tun.«

Montherlant, Henry de (1895–1972). Französischer Schriftsteller. Zitat: »Am Unheil der Welt leiden und zu gleicher Zeit glücklich sein: eine jener absurden Gleichungen, deren ich mich stets befleißigt habe.«

Musset, Alfred de (1810–1857). Französischer Schriftsteller. Schrieb romantische. Lyrik, Novellen und stimmungsvolle Gesellschaftsstücke. Zitat: »Auf unserer Erdenwelt hängt oft alles von den Äußerlichkeiten ab, mit denen man sich in Szene setzt.«

Petit-Senn, Jean Antoine (1792–1870). Französischer Dichter.

Proust, Marcel (1871–1922). Französischer Schriftsteller. Wiederfinden der Vergangenheit mittels unwillkürlicher Erinnerung und ihre Bewahrung im literarischen Kunstwerk. Zitat: »Das Lesen liegt an der Schwelle des geistigen Lebens; es kann uns darin einführen, aber es ist nicht dieses Leben.«

Prudhomme, Sully (1839–1907). Französischer Schriftsteller. Erste Nobelpreisträger für Literatur.

Rabelais, François (1494–1553). Französischer Schriftsteller, Arzt und Geistlicher, satirisches Romanwerk Gargantua und Pantagruel.

Racine, Jean (1639–1699) Französischer Dramatiker, neben Corneille bedeutendster Vertreter des klassischen französischen Dramas. Zitat: »Begierig glaubt die Liebe, was sie wünscht.«

Sagan, Françoise (1935–2004). Französische Bestseller-Autorin.

Saint-Exupéry, Antoine de (1900–1944). Französischer Schriftsteller und Pilot. Während des 2. Weltkrieges abgeschossen. Bekanntestes Werk: Der kleine Prinz.

Stendhal (= Henri Beyle, 1783–1842). Französischer Schriftsteller. Schrieb zeitkritische psychologische Sittenbilder, denen ein nonkonformistisches Individuum gegenübergestellt wird. In Stil und Charakterdarstellung ein Vorläufer des Realismus. Zitat: »Die jungen Deutschen, denen ich in Göttingen, Dresden, Königsberg usw. begegnete, sind unter dem Einfluss so genannter philosophischer Richtungen herangewachsen, die man eigentlich als dunkle, schlecht geschriebene Dichtung ansehen muss ... « »Die einzige Entschuldigung für Gott ist – dass es ihn nicht gibt.«

Vauvenargues, Luc de (1715–1747). Französischer Philosoph und Schriftsteller. Zitat: »Wer Großes wagt, setzt unvermeidlich seinen Ruf aufs Spiel.«

Verlaine, Paul (1844–1896). Französischer Dichter, Vertreter des Symbolismus, mit Rimbaud befreundet, mit dem er lange herumvagabundierte, bis er ihn durch einen Pistolenschuss verletzte. Sah sich als »Poètes maudits«, der von der Gesellschaft unverstanden und verachtet ist, der wiederum die Gesellschaft verachtet. Schrieb Lyrik, die subtile Gefühlsäußerungen beschreibt.


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