Gewaltenteilung

Macht bzw. Gewalt ist ein unabdingbarer Teil von Gesellschaft und Staat. Da Macht immer die Gefahr mit sich bringt, missbraucht zu werden, ist die Macht in modernen Demokratien nicht nur an einer einzigen Stelle, nicht nur bei einer Person oder Personengruppe. Die Macht ist auf verschiedene Personen und Instanzen verteilt und oft zeitlich begrenzt. Im Laufe der Geschichte haben sich verschiedene Formen und Arten von Macht bzw. Gewalten und von Gewaltenteilung entwickelt.



Die verschiedenen Arten der Gewaltenteilung

Die erste Gewaltenteilung, die es in Europa gab, war die zwischen Kaiser und Papst, zwischen weltlicher und geistlicher, sprich religiöser Macht. Es gibt Länder und Kulturen, wo es eine solche Gewaltenteilung – zwischen staatlichen und religiösen Instanzen – bis heute nicht oder nur unvollständig gibt. Das gilt (und galt) auch für religionsartige Weltanschauungen wie z. B. dem Kommunismus.


Horizontale Gewaltenteilung

Die Horizontale Gewaltenteilung, oder auch »waagerechte Gewaltenteilung«, teilt die staatliche Gewalt auf gleicher Ebene. Sie wurde von  Locke und  Montesquieu theoretisch begründet bzw. erstmals gefordert. Sie umfasst drei Gewalten:

  1. Die Legislative
  2. Die Exekutive
  3. Die Judikative

Heute spricht man auch von »Gewaltenverschränkung«. Der Idealfall, dass nämlich nur die Legislative Gesetze macht, die Exekutive nur ausführt und die Judikative nur im Einzelfall die Gesetze anwendet bzw. interpretiert, existiert in der Realität nicht. Gerichtsurteile und Regierungserlasse haben oft Gesetzescharakter, die Mehrheit des Parlaments stützt die Regierung, kontrolliert sie nicht nur etc. Wichtig ist aber, dass diese drei Gewalten da sind und sich gegenseitig in ihrer Macht begrenzen.


Vertikale Gewaltenteilung

Es gibt in den westlichen Demokratien eine von Land zu Land unterschiedlich stark ausgebildete »Vertikale Gewaltenteilung«, oder auch »senkrechte Gewaltenteilung«, von oben nach unten. Bezogen auf Deutschland bedeutet dies, dass es Städte und Gemeinden, die Bundesländer, die Bundesrepublik, die Europäische Union und die Vereinten Nationen gibt. (Die letzte Instanz ist leider noch weitgehend ineffizient.) Auf diesen verschiedenen vertikalen oder auch »föderativen« Ebenen wird wiederum horizontal aufgeteilte Macht ausgeübt, was weitere Machtzentren schafft.


Subsidiaritätsprinzip

Verbunden mit der »Vertikalen Gewaltenteilung« ist das »Subsidiaritätsprinzip«. D. h. die unteren Ebenen lösen bzw. regeln alles, was sie allein regeln können. Die höheren Ebenen kommen helfend hinzu (deshalb der Name), wenn etwas nur auf höherer Ebene geregelt werden kann, wenn es z. B. Gesetze geben muss, die in viele Städten, Ländern und Staaten gleich sein müssen. Ob das »Subsidiaritätsprinzip« konsequent angewendet wird, oder ob nicht z. B. in der Bundesrepublik Deutschland oder in der EU Dinge zentral geregelt werden, die genauso gut oder sogar besser auf den kleineren Ebenen geregelt werden könnten, ist allerdings umstritten.


Vierte Gewalt – Massenmedien

Von den ersten drei Gewalten unabhängige Massenmedien, ursprünglich die Zeitungen (deshalb »Pressefreiheit«), dann Rundfunk, dann Fernsehen, inzwischen auch das Internet, sollen Macht transparent, durchschaubar, auf allen Ebenen kontrollierbar machen und werden traditionell als »Vierte Gewalt« bezeichnet.


Fünfte Gewalt – Lobbyismus

Zusätzlich zu den staatlichen Machtinstanzen gibt es gesellschaftliche »Powergroups«: Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften, Bauernverbände; Hauseigentümerverbände und Mieterverbände; Kirchen und andere weltanschauliche Gruppen, Vereine, Bürgerinitiativen etc. Die verschiedenen »Powergroups« vertreten unterschiedliche Interessen und Ziele. Und sie haben unterschiedlich viel Macht bzw. Einfluss. Die Vertreter der verschiedenen Gruppen, wenn sie sich in die Politik einmischen, sich an Parteien, staatliche Instanzen usw. wenden, werden »Lobbyisten« genannt, und der Lobbyismus wird inzwischen oft als »Fünfte Gewalt« bezeichnet.


Weitere Formen von Gewaltenbegrenzung

Es wird von einer »Temporalen Gewaltenteilung« gesprochen, wenn Machtpositionen nur auf Zeit vergeben werden, z. B. es für bestimmte Ämter regelmäßige Wahlen und damit Abwahlmöglichkeiten gibt. Es gibt eine konstitutionelle Beschränkung von Macht, in dem die Verfassung, in Deutschland das Grundgesetz, nur mit Zweidrittelmehrheit geändert werden darf. Ein Kern des Grundgesetzes, der die »freiheitlich-demokratische Grundordnung« garantiert, darf überhaupt nicht geändert werden.


Aristotelische Gewaltenteilung

In den modernen westlichen Gesellschaften gibt es auch eine Art »Aristotelischer Gewaltenteilung«. Aristoteles hatte aus den Unvollkommenheiten der Staatsformen Demokratie, Aristokratie und Monarchie den Schluss gezogen, es solle eine Mischung dieser drei Staatsformen geben. Diese Mischung haben wir heute. Das demokratische Element sind die regelmäßig wiederkehrenden Wahlen auf den verschiedenen vertikalen Ebenen, in denen alle erwachsenen Bürger sich für mit einander konkurrierende Parteien und Personen entscheiden können. Das aristokratische Element ist, dass dann wenige Parlamentarier, Minister, Bürgermeister etc. die Macht ausüben. Das monarchistische Element ist die besonders starke Stellung des Regierungschefs. In Deutschland ist das der Bundeskanzler, z. Z. eine Bundeskanzlerin, in Frankreich und in den USA ist es der Präsident.


Gegner der Gewaltenteilung

Es gibt politisch-weltanschauliche Bewegungen, die Gewaltenteilung für überflüssig und/oder für Augenwischerei halten. Ein für das 20. Jahrhundert besonders verhängnisvolles Beispiel:

Lenin meinte: »Ich und meine Leute, wir sind die Wissenden und die Guten. Das steht außerhalb jeden Zweifels. Wieso sollten die Wissenden und Guten unter sich eine Gewaltenteilung brauchen? Und wer nicht zu meinen Leuten gehört, ist entweder nicht wissend oder nicht gut. Warum sollten solche Leute irgendeine Gewalt haben? Die Gewaltenteilung im Kapitalismus ist nur oberflächlich. Darunter verbirgt sich die Macht der Kapitalisten. Wenn meine Partei die Macht hat, dann hat durch uns das Proletariat die Macht.« Vom absoluten Wahrheitsanspruch zum absoluten Machtanspruch.

Plädierte Popper dafür, die gesellschaftlichen Institutionen so zu gestalten, dass, wenn ein Verbrecher an die Macht kommt, er möglichst wenig Schaden anrichten kann, schuf Lenin einen Staat, in dem es nur ein Machtzentrum gab – die Spitze der zentralistischen kommunistischen Partei, das unkontrollierbar und unabwählbar war, was dazu führte, dass wenn ein Verbrecher an die Macht kommt, er ein Maximum an Schaden anrichten konnte. (Was nicht nur Lenin selbst, sondern auch weitere kommunistische Machthaber wie Stalin, Mao, Pol Pot und weitere grausamst unter Beweis stellten.)


»Eine ewige Erfahrung lehrt, dass jeder Mensch, der Macht hat, dazu getrieben wird, sie zu missbrauchen. Er geht immer weiter, bis er an Grenzen stößt.« Montesquieu


Gewaltmonopol des Staates

Unter Gewaltmonopol des Staates wird verstanden, dass nur die Personen, die im Auftrag des Staates handeln, ein legales Recht zur Anwendung physischer Gewalt haben. Justizbeamte dürfen Menschen einsperren, Polizeibeamte dürfen in bestimmten Situationen auf Menschen schießen, in geschlossenen psychiatrischen Anstalten dürfen Menschen bestimmte Medikamente aufgezwungen werden etc. pp. Privatpersonen sind solche Arten physischer Gewalt verboten. [Im Prinzip begrüße ich solch ein Gewaltmonopol des Staates. Weil eine Gesellschaft nicht gedeihen kann, wenn jeder sein Recht selbst in die Hand nimmt. Leider kommt es vor, in verschiedenen Ländern, Zeiten und Kulturkreisen in unterschiedlich starkem Maße, dass der Staat bestimmte Personen und Personengruppen besonders bevorzugt, andere Personen und Personengruppen dagegen benachteiligt. In besonders krassen Fällen darf man sich nicht wundern, wenn sich Personen oder Personengruppen nicht an das Gewaltmonopol des Staates halten. Das ist meiner Auffassung nach dann auch legitim.]


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