Auguste Comte


Lebenslauf Comtes

Auguste Comte (1798 –1857) war ein französischer Soziologe und Begründer des Positivismus. Er stammte aus einem katholischen und monarchistischen Elternhaus. Nach seiner Trennung von der Religion war er zeitweilig Sekretär des utopischen Sozialisten Saint-Simon, von dem er sich wegen unüberbrückbarer Meinungsverschiedenheiten trennte. Das Streben nach einer Stellung als Hochschullehrer scheiterte. Comte hielt daraufhin Privatvorlesungen in seiner Wohnung und war finanziell von seinen Freunden und Anhängern abhängig.


Kurzbeschreibung der Theorien Comtes

Das Wort positiv hat im Deutschen wie im Französischen eine dreifache Bedeutung:

  1. Positiv als das Gute, Sinnvolle und Nützliche im Gegensatz zum Schlechten, Sinnlosen und Unnützen.
  2. Positiv als das einwandfrei Bestimmbare, das Sichere (zum Beispiel »positives Recht«) im Gegensatz zum Nichtbestimmbaren, Unsicheren.
  3. Positiv als das Wirkliche im Gegensatz zum Negativen als dem Nichtwirklichen. (Zum Beispiel »HIV positiv« bedeutet, dass Aids-Viren vorhanden sind.)

Diese drei Bedeutungen treffen nach Auffassung seiner Vertreter auf den Positivismus zu. Er halte sich an das gesellschaftlich Nützliche, an das sicher Bestimmbare und an die gegebenen Tatsachen.

Ablehnung der Metaphysik: Philosophie und Wissenschaft seien begrenzt auf das Reich der Erscheinungen. Fragen, die darüber hinausgingen, seien sinnlos.

Wissen um vorherzusehen (Savoir pour prévoir): Die Erscheinungen müssten wir erstens als Tatsachen akzeptieren, zweitens sie nach gewissen Gesetzen ordnen und drittens aus erkannten Gesetzen zukünftige Erscheinungen vorhersehen.

Die Erscheinungen verknüpften wir nach den Prinzipien der Ähnlichkeit und der Aufeinanderfolge. Dadurch erhielten wir Begriffe und Gesetze.

Dreistadiengesetz: Die Entwicklung des menschlichen Denkens, sowohl des Individuums wie der Gattung, und auch die Entwicklung jeder einzelnen Wissenschaft, durchlaufe gesetzmäßig drei Stadien:

  1. Das theologische bzw. fiktive Stadium.
  2. Das metaphysische bzw. abstrakte Stadium.
  3. Das wissenschaftliche bzw. positive Stadium.

Im »Theologischen Stadium« werde gefragt nach der inneren Natur der Dinge, nach den ersten Ursachen und letzten Zielen. Es werde geglaubt an die Möglichkeit absoluten Wissens. Analog zu seinem Handeln glaube der Mensch, hinter jedem Vorgang stehe ein lebendiger Wille. Dieses Stadium bestehe aus drei Stufen, der  animistischen,  polytheistischen und  monotheistischen Stufe.

Im »Metaphysischen Stadium« werde statt nach übernatürlichen Kräften nach abstrakten Begriffen, Entitäten, Wesensheiten gesucht. Die höchste, dem Monotheismus entsprechende Stufe, sei erreicht, wenn alle Erscheinungen auf eine einzige Wesensheit zurückgeführt würden, zum Beispiel auf »Die Natur«.

Im »Wissenschaftliches Stadium« Stadium verzichtete der Mensch darauf, das Wesen der Dinge erklären zu wollen. Statt dessen versuche er, durch Beobachtung und Gebrauch der Vernunft die Erscheinungen nach den Prinzipien der Ähnlichkeit und Aufeinanderfolge zu verbinden. Die höchste Stufe sei erreicht, wenn alle Erscheinungen auf eine Erscheinung zurückgeführt werden könnten, zum Beispiel auf das Gesetz der Schwerkraft. [Einstein suchte und die heutigen Physiker suchen nach einer allgemeinen Feldtheorie.]

Stufenbau der Wissenschaften: Alle Erscheinungen ließen sich unter einige Oberbegriffe subsumieren und diese Oberbegriffe in eine Stufenfolge bringen. Das Studium der einen Klasse von Erscheinungen bilde die Voraussetzung für das Studium der nächsten Klasse usw. Es gebe Vorgänge im unorganischen und im organischen Bereich. Die Vorgänge im unorganischen Bereich seien allgemeiner, die Vorgänge im organischen Bereich hingen von diesen ab, was umgekehrt nicht der Fall sei. Das Gleiche gelte innerhalb der unorganischen und organischen Vorgänge. Die Astronomie beschäftige sich mit dem Weltall, die Physik und Chemie mit der Erde. Dabei gehe die Physik der Chemie voraus. Im organischen Leben gebe es Vorgänge im einzelnen Individuum, hiermit beschäftige sich die Biologie, und es gebe Vorgänge der ganzen Gattung, hiermit beschäftige sich die Soziologie. Die Sätze der Mathematik seien die allgemeinsten, von den Sätzen der anderen Wissenschaften unabhängig. Somit ergebe sich folgende Rangordnung der Wissenschaften: Mathematik, Astronomie, Physik, Chemie, Biologie, Soziologie.

Soziologie: In den meisten Wissenschaft konnte Comte anknüpfen auf die großen Fortschritte, die die Wissenschaft seit ihrem Eintreten in das – nach seinem Sprache – »Positive Stadium« gemacht hatte, nicht aber in der Soziologie. Diese Wissenschaft wurde von Comte erst begründet. Sie nimmt die letzten drei Bände seines Hauptwerkes ein. (In der Literatur wird als eigentlicher Begründer der Soziologie allerdings oft Émile Durkheim genannt.)

Psychologie: Nach Comte ist eine Wissenschaft der Psychologie unmöglich, da die menschliche Psyche sich nicht selbst beobachten könne.

Philosophie: Die (positive) Philosophie erkenne die allgemeinen Grundlagen aller Einzelwissenschaften. Hier werde jede neue Entdeckung auf einem Spezialgebiet in eine allgemeine Theorie eingebaut. Sie beseitige die geistige Anarchie verschiedener Meinungen. Sie werde Grundlage für die Umgestaltung des gesamten Erziehungssystems sein.

In der Geschichtsphilosophie werden von Comte nicht nur staatliche, rechtliche und gesellschaftliche Entwicklungen berücksichtigt, sondern auch die Entwicklung von Kunst, Religion, Wissenschaft und Philosophie einbezogen.

Dreistufenfolge der Gesellschaftsordnungen: Jedem Stadium des Denkens entspreche eine bestimmte Form der Gesellschaft. Dem theologischen Stadium entspreche der Feudalismus, dem metaphysischen entspreche das Zeitalter der Revolutionen (eingeleitet durch die französische Revolution) und dem wissenschaftlichen Stadium entspreche eine neue, wissenschaftlich-technische Gesellschaftsordnung der Zukunft. In ihr würden die positiven Philosophen und Soziologen die oberste Instanz im geistigen Leben darstellen. Die praktische Regierung würde von Fachleuten (heute würde man sagen Technokraten) Wirtschaftsführern, Bankiers, Fabrikanten, Landwirten usw. ausgeübt.

Um den Egoismus zu überwinden und zum »Altruismus« zu gelangen (dieser Begriff wird von Comte als Gegenpol zum Egoismus geschaffen), ohne den die vernünftige Gesellschaft nicht gelingen könne, solle die »Menschheit« das »Große Wesen« (Grand Etre) zum Gegenstand einer religiösen Verehrung gemacht werden und zwar mit festen Ritualen, Heiligen, Priestern etc. Katholizismus ohne Christentum, wie Kritiker meinten.

Das positivistische Denken wurde u. a. in England von Spencer fortgeführt und in Form des Neupositivmus im Wiener Kreis.


Meine Kritik an Comte

Comte war nur ein sehr halbherziger Erkenntnispessimist. Im Reiche der Erscheinungen hielt er absolutes Wissen für möglich und deshalb gab es für ihn keine Notwendigkeit von Pluralität. Seine Gesellschaft wäre totalitär gewesen.

Mit dem Dreistadiengesetz, das Comte auf alle gesellschaftlichen und geistigen Entwicklungen anwendet, macht er letztlich den gleichen Fehler wie Hegel oder die Marxisten. Man stülpt ein Schema der Wirklichkeit über und interpretiert alle Erscheinungen so, dass sie ins Schema passen. Die lebendige Wirklichkeit lässt sich aber nicht unter ein Schema bringen. Das Ergebnis ist Konfusion und Ideologie.

Eine Wissenschaft der Psychologie ist durchaus möglich, wie spätere Positivisten erkannten, z. B.  Mill. Erstens kann sich die Psyche sehr wohl selbst betrachten und zweiten kann die menschliche Psyche die Psyche anderer Menschen erforschen. (Allerdings mit der wichtigen Einschränkung, dass man sich der Existenz des Fremdseelischen nicht sicher sein kann. Sehen Sie hierzu Solipsismus.)

Trotzdem hat Comte die Wissenschaftsgeschichte und die Gesellschaftstheorie bereichert und interessante Denkanstöße gegeben. Wie viele andere Dogmatiker und Absolutisten auch, die andere Auffassungen hatten.


Zitate Comtes

Die Zitate sind z. T. von mir selbst übersetzt. Der Sinn ist sicherlich richtig dargestellt. Fachleute würde aber eventuell etwas anders übersetzen.

»Es ist Menschen nicht erlaubt frei über Chemie und Biologie zu denken. Warum sollte es ihnen erlaubt sein, frei über politische Philosophie zu denken?«

»Liebe als Grundsatz, Ordnung als Grundlage, Fortschritt als Ziel.«

»Welch ein unvergleichlicher Verlust.« (Letzte Worte.)

»Um eine Wissenschaft zu verstehen, ist es notwendig, ihre Geschichte zu kennen.«


Literatur

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