Egoismus


Kurzbeschreibung des Egoismus

Egoismus (von lat. ego): Selbstsüchtiges, eigennütziges Verhalten. Philosophische Vertreter eines konsequenten Egoismus sind z. B. Stirner und De Sade. Dem Egoismus steht entgegen der Altruismus.

Den Menschen den Egoismus völlig abgewöhnen zu können, war die Illusion der Urchristen, der Kommunisten und einiger weniger bekannter religiöser, philosophischer und politischer Bewegungen. Genauso wahr ist aber, dass überindividuelle Werte einen sehr starken Stellenwert im Menschen haben können und sein Fühlen und Verhalten so stark bestimmen, dass der Egoismus weitgehend überflügelt wird. [1]

Logischer oder methodischer Egoismus: Eine erkenntnistheoretische Position, die von der unbezweifelbaren Existenz des Ichs ausgeht und von hier versucht, Erkenntnisse zu gewinnen. Sehen Sie hierzu Subjektivismus und  Subjektiver Idealismus.

Der Solipsismus stellt eine Sonderform des Egoismus dar, in dem der Solipsist annimmt, dass überhaupt nur sein Ich existiert.


Meine Auffassungen zum Egoismus

Der Mensch stammt von Herdentieren ab. Innerhalb der Herde war er ein an sich selbst, an seinem eigenen Wohlergehen interessiertes Individuum. Das unterscheidet ihn von einer Ameise oder Biene. In der Herde gab es eine Rangordnung. Die Höherrangigen hatten die besten Futterplätze, sie durften »vor den anderen nehmen« (die Vornehmen). Die höherrangigen Männchen durften sich fortpflanzen. Hier liegt die natürliche Ursache für individuellen Egoismus und Karrierismus / Aufstiegsstreben. Die Herde als Ganzes verteidigte ihr Territorium gegen Nahrungskonkurrenten. Hier ist die natürliche Ursache für Fremdenfeindlichkeit und Gruppenegoismus. Gegenseitige Hilfe und gegenseitiger Schutz der Herdenmitglieder, also Kooperation stärkt die Herde, die Gruppe. Hier liegt die natürliche Ursache für den Altruismus. Auch der selbstlose Einsatz für den Nachwuchs, Überlebensbedingung der Gruppe, erzeugt Altruismus. Eine gewisse Menge Egoismus ist genauso angeboren wie eine gewisse Menge Gemeinschaftsgefühl und nicht berechnende Hilfsbereitschaft.

Genauso verkehrt es ist, den Menschen auf seine Natur zu reduzieren, genauso verkehrt ist es, diese Natur zu ignorieren. Beinahe ebenso wichtig ist die Sozialisation. Und dann die Lebensumstände eines Menschen, die bestimmte Gefühle und Verhaltensweise fördern oder niederhalten bzw. verkümmern lassen.

Ich unterscheide zwischen primärem und sekundärem Egoismus: »Der primäre Egoismus resultiert daraus, dass jeder Menschen in der Welt seiner Erlebnisse gefangen ist. Jeder Mensch folgt in seinem Handeln seinem Willen, versucht seine Bedürfnisse zu befriedigen und tut aus dieser Sicht alles für sich, nie für andere, auch wenn sein Handeln anderen nützt. Jeder Mensch tut grundsätzlich, erstens was er tun will, zweitens was er tun kann und drittens wofür er die Konsequenzen zu tragen bereit ist. (Die Konsequenzen werden allerdings häufig nicht vorausgesehen bzw. falsch eingeschätzt.) Dieser primäre Egoismus wäre nur überwindbar durch die Überwindung des Egos, durch die Auflösung der Einzelexistenz. [...] Der sekundäre Egoismus ist das, was man in der Umgangssprache unter Egoismus versteht, also ein Handeln, das einem selbst oder nur einem selbst nützt. Wenn ich das Wort Egoismus ohne Zusatz verwende, dann meine ich damit immer diesen sekundären Egoismus.« (Auszug aus Meiner Philosophie.)


Zitate zum Egoismus

Henry Ward Beecher: »Egoismus ist das verabscheuungswürdigste Laster, das keiner beim anderen vergeben will und ohne das er selbst nicht sein kann.«

Jörg Berger: »Resignation ist der Egoismus der Schwachen.«

Ambrose Bierce: »Ein Egoist ist ein unfeiner Mensch, der für sich mehr Interesse hat als für mich.«

Dalai Lama: »Kluge Egoisten denken an andere, helfen anderen so gut sie können – mit dem Ergebnis, dass sie selbst davon profitieren.«

Meister Eckhart: »Alle Liebe dieser Welt ist auf Eigenliebe gebaut. Ließest du die Eigenliebe, so ließest du leicht die ganze Welt.«

Marie von Ebner-Eschenbach: »Der Umgang mit einem Egoisten ist darum so verderblich, weil die Notwehr uns allmählich zwingt, in seinen Fehler zu verfallen.« »Nächstenliebe lebt mit tausend Seelen, Egoismus mit einer einzigen, und die ist erbärmlich.« »Bis zu einem gewissen Grade selbstlos sollte man schon aus Selbstsucht sein.«

Fichte: »Die gewöhnliche Annahme, dass der Mensch von Natur selbstsüchtig sei und auch das Kind mit dieser Selbstsucht geboren werde, gründet sich auf eine sehr oberflächliche Beobachtung.« [In der Natur des Menschen liegen gleichermaßen egoistische und altruistische Gefühle. ]

Goethe: »Der Dilettantismus negiert den Meister. Die Meisterschaft gilt für Egoismus.« »Koketterie ist Egoismus in der Form der Schönheit.«

Rudolf von Jhering: »Nicht der Egoismus als solcher ist  unsittlich – [...] sondern nur das Uebermass desselben.«

August von Kotzebue: »Egoisten sind wir alle, der eine mehr, der andere weniger. Der eine lässt seinen Egoismus nackend laufen, der andere hängt ihm ein Mäntelchen um.«

Stephan Lermer: »Der gesunde und sich selbst verwirklichende Mensch erlebt Glück dann, wenn er anderen etwas geben kann. Insofern kann man die Selbstlosigkeit als eine Form von indirektem Egoismus bezeichnen.«

Thomas Mann: »Der Gegensatz, von Egoismus und Altruismus ist in der Liebe restlos aufgehoben.«

Montaigne: »Ausleihen sollten wir uns an andere, hingeben aber nur an uns selbst.«

Johann Nepomuk Nestroy: »Die Liebe ist der Punkt, wo sich auch Egoisten dann und wann vergessen.«

Nietzsche: »Der Mensch ist ein mittelmäßiger Egoist. Selbst der Klügste nimmt seine Gewohnheiten wichtiger als seine Vorteile.«

George Orwell: »Alle Schriftsteller sind eitel, egoistisch und faul, und das wahre Motiv für ihre Arbeit bleibt rätselhaft.« [Da hat er wohl zu sehr von sich auf alle geschlossen. Auch wenn mir selbst diese drei Eigenschaften nicht fremd sind, so sind die entgegengesetzten Eigenschaften auch bei mir vorhanden.]

François de La Rochefoucauld: »Der Egoismus spricht alle Sprachen und spielt alle Rollen, sogar die der Selbstlosigkeit.«

Antoine de Saint-Exupéry: »Jede Nation sieht ihren eigenen Egoismus als etwas Heiliges an.«

Jean Paul Sartre: »Der Eigensinn ist die Energie der Dummen

Seneca: »Es kann niemand ethisch verantwortungsvoll leben, der nur an sich denkt und alles seinem persönlichen Vorteil unterstellt. Du musst für den anderen leben, wenn du für dich selbst leben willst.«

Arthur Schopenhauer: »Denn, ich wiederhole es, alle  Tugend, die irgendwie eines Lohnes wegen geübt wird, beruht auf klugen, methodischen, weitsehenden Egoismus.« »Der Egoist fühlt sich von fremden und feindlichen Erscheinungen umgeben, und alle seine Hoffnung ruht auf dem eigenen Wohl. Der Gute lebt in einer Welt befreundeter Erscheinungen: Das Wohl einer jeden derselben ist sein eigenes.« »Aller Eigensinn beruht darauf, dass der Wille sich an die Stelle der Erkenntnis gedrängt hat.«

George Bernhard Shaw: »Die meisten Egoisten sind ehemalige Altruisten.«

Adalbert Stifter: »Das ist das Merkmal des großen und guten Menschen, dass er immer zuerst auf das Ganze und auf andere sieht, auf sich zuletzt.«

Max Stirner: »In der Gesellschaft, die Sozietät, kann höchstens die menschliche Forderung befriedigt werden, indes die egoistische stets zu kurz kommen muss.« [Der kluge Egoist weiß um den Wert der Gesellschaft für sein Wohlergehen. Die wenigsten wären glücklich allein auf einer einsamen Insel.]

Leo Tolstoi: »Alle Welt verurteilt den Egoismus. Egoismus aber ist das Grundgesetz des Lebens. Es kommt nur darauf an, was man als sein Ego anerkennt.« »Wer etwa daran zweifelt, dass Weisheit und Selbstaufgabe untrennbar miteinander verbunden sind, der soll einmal darauf achten, wie am anderen Ende Dummheit und Egoismus immer Hand in Hand gehen.«

Max Weber: »Der große Vorteil des Kapitalismus ist, dass er den Eigennutz diszipliniert.«

Oscar Wilde: »Eigenliebe ist der Beginn einer lebenslangen Romanze.«


Spruch: »Alle denken sie nur an sich. Nur ich denk an mich.«


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Anmerkungen

Anm. 1: Anders ließe sich z. B. gar nicht erklären, warum in den beiden Weltkriegen zig Millionen Menschen an die Fronten marschiert sind – ohne auch nur den Versuch zu machen, sich dem zu entziehen – und dort für ihre jeweiligen Vaterländer gestorben sind. So schlimm das ist, es ist ein Zeichen, dass die Dominanz des Egoismus nicht unabwendbar ist. Die Frage ist: Wenn man den  Nationalismus wegen seiner schrecklichen Begleiterscheinungen ablehnt, was für überindividuelle Werte sollen an seine Stelle treten?  Comte wollte die Menschheit als Ganzes zum Gegenstand der Verehrung machen. Das hat sich bisher aber nicht durchgesetzt. In der gegenwärtigen Phase der Entwicklung unserer Gesellschaft ist eines der Hauptprobleme das Schwinden überindividueller Werte und ihr Ersatz durch Egoismus. Hier liegt der Hauptgrund für den Abbau des Sozialstaates. Nicht in Staatsverschuldung, veränderter Altersstruktur etc. Das ist alles nicht causa, das ist occasio. Bestenfalls Sekundärursachen, meistens sind es einfach nur Vorwände. Zurück zum Text


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