Émile Durkheim (18581917) war ein französischer Soziologe jüdischer Abstammung. Sollte Rabbiner werden, wurde aber Agnostiker. Er gilt vielen als Begründer der Soziologie, speziell der französischen Soziologie. Obwohl sein Landsmann Comte den Begriff Soziologie geschaffen und vor ihm ausgedehnte gesellschaftswissenschaftliche Studien betrieben hat.
In seinem ersten Hauptwerk Über soziale Arbeitsteilung beschäftigt sich Durkheim mit dem scheinbaren Paradoxon, dass die einzelnen Menschen in der modernen, demokratischen Gesellschaft zugleich autonomer wie abhängiger werden.
»Wie geht es zu, dass das Individuum, obgleich es immer autonomer wird, immer mehr von der Gesellschaft abhängt? Wie kann es zu gleicher Zeit persönlicher und solidarischer sein? Denn es ist unwiderleglich, dass diese beiden Bewegungen, wie gegensätzlich sie auch erscheinen, parallel verlaufen. Das ist das Problem, das wir uns gestellt haben. Uns schien, dass die Auflösung dieser scheinbaren Antinomie einer Veränderung der sozialen Solidarität geschuldet ist, die wir der immer stärkeren Arbeitsteilung verdanken.«
»Die Gesamtheit der gemeinsamen religiösen Überzeugungen und Gefühle im Durchschnitt der Mitglieder einer bestimmten Gesellschaft bilden ein umgrenztes System, das sein eigenes Leben hat; man könnte sie das gemeinsame oder Kollektivbewusstsein nennen. Zweifellos findet es sein Substrat nicht in einem einzigen Organ. Es ist definitionsgemäß über die ganze Gesellschaft verbreitet. Trotzdem hat es spezifische Charakterzüge, die es zu einer deutlich unterscheidbaren Wirklichkeit machen. In der Tat ist es von den besonderen Bedingungen unabhängig, denen sich die Individuen gegenübergestellt sehen. Diese vergehen, es aber bleibt bestehen.« [1]
Anmerkungen
Es gibt einen Volks-, Gesellschafts- und Schichtencharakter, eine Art kollektives Bewusstsein, aber auch kollektives Un- oder Unterbewusstsein. Ähnlich bei Fromm. Zurück zum Text