Sprachphilosophie


Sprachphilosophie

Die Sprachphilosophie erforscht die Entstehung, Entwicklung, Bedeutung (Sinn, Wichtigkeit) und Funktion (Aufgabe) der Sprache. Sie untersucht das Verhältnis von Sprache und Wirklichkeit, sowie von Sprache und Denken bzw. Bewusstsein. Sie ist Teilbereich der Linguistik, der Philologie, der Semantik und der Semiotik. Zur Sprachphilosophie gehört auch die logische Analyse der Struktur der Sprache, womit sie mit der Logik verwandt ist. Sie ist außerdem ein Teilbereich der philosophischen Anthropologie, wo der Mensch als sprachfähiges Wesen untersucht wird.

Die Alltagssprache reicht nach Auffassung vieler Philosophen aus, um auch philosophische und wissenschaftliche Erkenntnisse zu erlangen. Einige Philosophen sind der Auffassung die Alltagssprache sei dafür zu ungenau und es müssten Idealsprachen entwickelt werden.

Der »linguistic turn«, die Hinwendung zur Sprache war für die Philosophie des 20. Jahrhunderts von großer Bedeutung. Sprache und Denken seien unauflösbar miteinander verbunden und da Philosophieren Denken bedeute, müsse Philosophieren Sprachanalyse sein. Philosophische Probleme verstehen, bedeute grundsätzlich, die Funktionsweise der Sprache verstehen.

Bei einigen Philosophen nimmt die Sprachphilosophie einen so wichtigen Raum ein, dass die Philosophie faktisch in Linguistik oder Philologie aufgelöst wird.

Ein zentrale Stelle hat die Sprachphilosophie in der  Analytische Philosophie, eine bedeutende Stelle im Strukturalismus und Poststrukturalismus. Ein bedeutender Sprachphilosoph ist  Wittgenstein.

Eine wichtige Auseinandersetzung in der Gegenwartsphilosophie ist, ob die Sprache primär oder sekundär bezüglich der Erfahrung ist, ob Sprache beim Empfinden und Erkennen vorgeordnet oder nachgeordnet ist. Es gibt Philosophen, die behaupten, ohne Sprache sei Erfahrung und Erkennen unmöglich. Andere weisen auf die große Rolle nonverbale Erkenntnisse hin.

Sprache besteht aus Wörtern und aus Grammatik. Das bemerken Menschen häufig erst dann, wenn sie die Grammatik ihrer Muttersprache, die sie unbewusst benutzen, instinktiv in eine fremde Sprache übertragen wollen.


Meine Kritik an einigen Aspekten der Sprachphilosophie

Die Bedeutung der Sprache will ich gar nicht geringschätzen, denn wenn wir denken bzw. philosophieren, dann machen wir dies mit Wörtern und Grammatik. Allerdings sehe ich es so, dass die Dinge oder Beziehungen unabhängig und vor den Wörtern existieren. Auch Gesetze der Mathematik, der Logik und der Dialektik bestehen unabhängig von der Sprache. Ich halte deshalb nichts davon, die Sprache als das aller Wichtigste, als das Ausschlaggebende anzusehen. Die Sprache ist ein sehr wichtiger Bestanteil des Philosophierens. Nicht weniger und nicht mehr. Z. B. das Rätsel meiner Existenz, dass ich überhaupt existiere, dass überhaupt etwas existiert, lässt sich mit Sprache nicht auflösen.

Es gibt ja hunderte verschiedener Sprachen. Man müsste untersuchen, ob die Philosophie der verschiedenen Völker so verschieden ist wie ihre Sprachen. Mit Ausnahme der klassischen Logik, die stark an die griechisch/lateinische Grammatik angelehnt ist und in China auf Grund ihrer anderen Sprache nicht vorhanden gewesen sein soll, ist mir kein weiteres Beispiel bekannt. Die Grundfragen des Seins sind unabhängig von der konkreten Sprache überall die gleichen.

Wenn man die Bedeutung eines Wortes nur an seinem Gebrauch in der Sprache festmacht – nicht an von der Sprache unabhängig existierenden Dinge, Tatsachen, Vorgängen etc. –, dann wird die Sprache autonom. Man bekommt dann eine Art »Sprachidealismus« oder einen »transzendentalen Lingualismus«. [1] An die Stelle des Geistes im klassischen Idealismus tritt die Sprache.

Die Sprache ändert sich und wächst mit unseren Erkenntnissen. Im Verlaufe der Erkenntnisfortschritts, sowohl des wissenschaftlichen wie philosophischen, nehmen vorhandene Wörter oft eine neue Bedeutung an und es werden neue Wörter geschaffen. Deshalb ist es nach meinem Dafürhalten falsch, zu sagen, wir könnten nicht mehr erkennen, als unsere Sprache zulässt (Wittgenstein). Tatsächlich ist es so, das die Sprache sich den neuen Erkenntnissen anpasst, bzw. angepasst wird.

Sehen Sie hierzu auch Nonverbale Erkenntnis.


Zitate zu Sprache, Sprachphilosophie etc.

Francis Bacon : »Die Sprache gehört zum Charakter des Menschen.«

Charles Baudelaire: »Eine Sprache mit Geschick handhaben, heißt, eine Art Beschwörungszauber treiben.«

Einstein: »Weder geschrieben noch gesprochen scheinen Wörter und Sprache irgendeine Rolle in meinem Denkprozess zu spielen.« [!!!]

Hans Magnus Enzensberger: »Wer sich als Herrscher über die Sprache aufspielt, hat nicht begriffen, dass es sich um das einzige Medium handelt, in dem die Demokratie schon immer geherrscht hat.«

Charles Darwin: »Genau an dem Punkte, wo der Mensch sich von der Tierwelt lostrennt, bei dem ersten Aufblitzen der Vernunft, als der Offenbarung des Lichts in uns, finden wir die Geburtsstätte der Sprache.«

Dostojewski: »Die Sprache ist die Form, die Gestalt, das Gewand des Geistes.«

Goethe: »Wer fremde Sprachen nicht kennt, weiß nichts von seiner eigenen.« »Die Sprache bringt doch eine Art von Atmosphäre des Landes mit.« »Der Sprache liegt zwar die Verstandes- und Vernunftsfähigkeit des Menschen zum Grunde, aber sie setzt bei dem, der sich ihrer bedient, nicht eben reinen Verstand, ausgebildete Vernunft, redlichen Willen voraus. Sie ist ein Werkzeug, zweckmäßig und willkürlich zu gebrauchen; man kann sie ebensogut zu einer spitzfindig-verwirrenden Dialektik wie zu einer verworren-verdüsternden Mystik verwenden.«

Johann Georg Hamann: »Die Sprache ist nicht nur die Grundlage des gesamten Denkvermögens, sondern auch das Zentrum, von dem die durch sie verursachten Missverständnisse der Vernunft ausgehen.«

Hegel: »Die Sprache ist der Leib des Denkens.«

Heidegger: »Die Sprache ist das Haus des Seins.«

Wilhelm Humboldt: »Die Sprache ist gleichsam die äußere Erscheinung der Völker; ihre Sprache ist ihr Geist und ihr Geist ihre Sprache, man kann sie beide nie identisch genug denken.« [Die Überschwemmung der deutschen Sprache mit Anglizismen ist ein Zeichen dafür, dass der Masse der Deutschen ihre kulturelle identität nichts bedeutet. Darin werden wir von keinem anderen Volk in Europa übertroffen. Siehe weiter unten auch  Schiller.]

Jacobi: »Und es fehlte nur noch an einer Kritik der Sprache, die eine Metakritik der Vernunft sein würde, um uns alle über Metaphysik eines Sinnes werden zu lassen.« (Über Kant und seine  drei »Kritiken«.)

Kant: »Alle Sprache ist Bezeichnung der Gedanken, und umgekehrt die vorzüglichste Art der Gedankenbezeichnung ist die durch Sprache, dieses größte Mittel, sich selbst und andere zu verstehen.«

Lajos Kossuth: »Die Sprache des Menschen ist ein genügendes Mittel, um Ideen auszudrücken, die im menschlichen Verstande entstehen; aber im Bereich des wahren und tiefen Gefühls ist sie nur ein schwacher Dolmetscher.«

Karl Kraus: »Die Sprache ist die Mutter, nicht die Magd des Gedankens.«

Lessing: »Die Sprache kann alles ausdrücken, was wir deutlich denken; dass sie aber alle Nüancen der Empfindung sollte ausdrücken können, das ist ebenso unmöglich, als es unnötig sein würde.« [Siehe Nonverbale Erkenntnis.]

John Locke: »Nun ist aber die Sprache das große Band, das die Gesellschaft zusammenhält; ja, sie stellt auch den Weg dar, auf dem die Fortschritte der Erkenntnis von einem Menschen zum andern und von einer Generation zur andern überliefert werden.« Aber auch: »Wie viele Trugschlüsse und Irrtümer … gehen auf Kosten der Wörter und ihrer unsicheren oder mißverstandenen Bedeutung.«

Ludwig Marcuse: »Ich sehe nicht ein, weshalb Sprache Zwiesprache sein muss. Sprache ist unter anderem auch Expression, durchaus nicht immer Kommunikation.«

Karl Marx: »Die Sprache ist die Wirklichkeit des Gedankens.«

Nietzsche: »Sprechen- und Schreibenlernen heißt freiwerden: zugegeben dass nicht immer das Beste dabei herauskommt; aber es ist gut, dass es sichtbar wird, dass es Wort und Farbe findet. Barbar ist einer, der sich nicht ausdrücken kann, der sklavenhaft plappert.«

Wilhelm Raabe: »Flüchtig sind des Menschen Auffassungen und Begriffe: was heute er so nennt wie gestern, ist heute nicht mehr das, was er gestern darunter verstand.«

Popper: »Ein Philosoph, der sich sein Leben lang mit der Sprache beschäftigt, ist wie ein Zimmermann, der seine ganze Arbeitszeit damit verbringt, seine Werkzeuge zu schärfen.«

Antoine de Saint-Exupéry: »Die Sprache ist die Quelle aller Missverständnisse.«

Schiller: »Die Sprache ist der Spiegel einer Nation; wenn wir in diesen Spiegel schauen, so kommt uns ein großes treffliches Bild von uns selbst daraus entgegen.« [Wie oben bei  Humboldt.]

Schopenhauer: »Oder ist etwan die deutsche Sprache vogelfrei, als eine Kleinigkeit, die nicht des Schutzes der Gesetze wert ist, den doch jeder Misthaufen genießt?«

Anton Tschechow: »Je höher die Kultur, desto reicher die Sprache.«

Wittgenstein: »Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt.« »Die Philosophie ist ein Kampf gegen die Verhexung unseres Verstandes durch die Mittel unserer Sprache.«


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Anmerkungen

Anm. 1: In Anspielung auf die »transzendentale Vernunft«  Kants, die nach seinen Auffassungen die Welt, so wie sie für den Menschen ist, schafft. Für den »transzendentalen Lingualismus« schafft die Sprache die Welt, so wie sie für uns Menschen ist. Zurück zum Text


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