Nonverbale Erkenntnis

Viele Sprachphilosophen behaupten, dass wir ohne Sprache keine Erkenntnis haben können. Von nonverbaler Erkenntnis liest man in esoterischen Schriften. Dabei ist nonverbale Erkenntnis das normalste von der Welt, was jeder von uns täglich macht, ohne das wir überhaupt nicht lebens- und handlungsfähig wären.

So wichtig die Differenzierung durch Sprache für uns Menschen auch ist, es gibt ebenso nonverbale Differenzierungen, die die wenigsten von uns sprachlich benennen können.

Wir können Tausende von verschiedenen Speisen am Geschmack unterscheiden. Wir wissen ohne hinzusehen, ob wir Kotelett, Rotkohl oder Kartoffeln im Mund haben. Aber nur wenige Menschen sind in der Lage den unterschiedlichen Geschmack von Äpfeln und Birnen sprachlich zu beschreiben.

Wenn wir angerufen werden, erkennen wir oft an der Stimme, wer es ist. Wir unterscheiden Hunderte von Stimmen, aber die Wenigsten sind in der Lage mit Worten zu beschreiben, was die Differenz zwischen den Stimmen ist, was die jeweilige Stimme so unverwechselbar macht.

Wir können Tausende Gesichter von einander unterscheiden, ohne dass wir in der Lage sind, mit Worten zu beschreiben, was die einzelnen Gesichter von den anderen unterscheidet.

Auch Hunderte verschiedener Gerüche können wir unterscheiden, ohne die Unterschiede benennen zu können.

Mit den Fingern ertasten wir verschiedene Formen und Zeichen, ohne immer Worte dafür zu haben.

Wir differenzieren in unserem Bewusstsein Eindrücke bzw. Erinnerungen gustatorischer, auditiver, visueller, olfaktorischer und taktiler Art.

Dann gibt es innere Empfindungen, die unter keine der eben genannten fünf Sinne subsumierbar ist. Schmerz ist eine Empfindung eigener Art, die auch in unterschiedlichen Varianten auftritt. Zahnschmerz unterscheidet sich von Schmerz durch Finger klemmen. Nicht nur dadurch, dass der Schmerz an verschiedenen Stellen des Körpers auftritt.

Wenn Menschen dazu in der Lage sind, diese verschiedenen Eindrücke in Worte zu fassen, benötigt das Übung. Und die Sprache ist nachgeordnet. Auch wenn bei uns Menschen Sprache eine große Rolle spielt, wir differenzieren nicht nur durch Sprache. Auch ohne Sprache haben wir in unserem Bewusstsein eine große Vielfalt Tausender, vielleicht sogar Zehntausender ausdifferenzierter Inhalte.

Wenn wir nun diese verschiedenen nonverbalen Eindrücke bzw. Erinnerungen nach einander im Bewusstsein Revue passieren lassen, vergleichen, bewerten, in Relation zu einander setzen etc., ist das dann nicht eine Art nonverbalen Denkens?

Tiere »denken« auf ihrem Niveau wahrscheinlich in Bildern.

Nonverbale Erkenntnis ist auch Voraussetzung für nonverbale Kommunikation. Und das es die gibt, wird jeder Psychologe bestätigen.

Mit Sprache, mit Wörtern, Begriffen, Sätzen etc. pp. lässt sich sicherlich umfangreicher Denken, tiefer, breiter, qualitativ höher. Viele Erkenntnisse sind nur mit Sprache möglich. Aber so exklusiv für die Erkenntnis wie viele Sprachphilosophen behauten (die dann z. T. sogar  Sprachidealisten werden), ist die Sprachen nicht.


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