Unterschieden werden muss zwischen »Phänomenologie« und »Phänomenalismus«.
Phänomenologie bedeutet vom Wortsinn her »Lehre von den Erscheinungen«.
Hegel benutzt diesen Begriff in einem seiner wichtigsten Werke der Phänomenologie des Geistes. Er beschreibt dort wie nach seiner Auffassung der Geist in unterschiedlichen Erscheinungen auftritt. Bei Edmund Husserl wird daraus die »Lehre von den Gegenständen«, »Wesensschau«, da bei ihm und seinen »Nachfolgern« (z. B. Heidegger und Sartre) die Erscheinungen mit den Gegenständen gleichgesetzt werden. (Unterschied zu Kant und die auf ihn aufbauenden Denker.) Mit der Phänomenologie begründete Husserl eine philosophische Schule oder Methode, die fordert, man solle zu dem zurückzukehren, was sich tatsächlich ereigne, vom Standpunkt desjenigen gesehen, der etwas Bestimmtes erlebe und dieses Erlebte nicht schon von vornherein durch Interpretationen, Abstraktionen und Begriffsbildungen unkenntlich machen.
»Phänomenologie bezeichnet eine an der Jahrhundertwende in der Philosophie zum Durchbruch gekommene neuartige deskriptive Methode und eine aus ihr hervorgegangene apriorische Wissenschaft, welche dazu bestimmt ist, das prinzipielle Organon für eine streng wissenschaftliche Philosophie zu liefern und in konsequenter Auswirkung eine methodische Reform aller Wissenschaften zu ermöglichen.« Edmund Husserl |
Die Phänomenologie entstand u. a. auch aus der Bekämpfung des Psychologismus.
Die Phänomenologie war eine der einflussreichsten philosophischen Strömungen im 20. Jahrhundert. Wichtige Vertreter sind zusätzlich zu Husserl:
Einige Autoren zählen auch Nicolai Hartmann zu den Phänomenologen. Er habe eine »phänomenologische Ontologie« geschaffen.
Zwischen den eben genannten Philosophen gibt es Unterschiede, die in den jeweiligen philolex-Beiträgen genauer erläutert werden. Die Phänomenologie hat über die hier genannten hinaus alle Vertreter des Existentialismus', bzw. der Existenzphilosophie stark beeinflusst.
Der Begriff Phänomenologie wird in verschiedenen Wissenschaften genutzt, meistens ohne Husserls weitreichende Vorstellungen zu teilen bzw. zu berücksichtigen. [1] Nur mit Husserls erstem Ansatz wird übereingestimmt: Sichtung des unmittelbar gegebenen, Vorsicht gegenüber vorschnellen Interpretationen, Verallgemeinerungen, Theoriebildungen. Nicht den Bezug zur Praxis, zum täglichen Leben verlieren. Beschreibung geht vor Theoriebildung.
Die phänomenologische Methode kommt in ihrem Anfangsstadium meinen Vorstellungen sehr nahe, dass man nämlich das unmittelbare Erleben zum Ausgangspunkt von Philosophie machen sollte. [2] Dass man jedenfalls bei aller notwendigen und berechtigten Theorienbildung, bei allen komplexen Erklärungsversuchen, das unmittelbar Erlebte nicht aus den Augen verlieren darf, dass man sich immer wieder auf's Neue auf dieses unmittelbar Erlebte besinnen muss. Das ist besonders deshalb wichtig, weil es viele religiöse, philosophische und politische Dogmatiker gibt, die sich dermaßen in ihren Weltanschauungen verrannt haben, dass sie unmittelbar Erlebtes nicht mehr zur Kenntnis nehmen können, sondernd die Welt durch die Brille ihrer Ideologie sehen. Auch den Menschen, die den gegenwärtigen naturwissenschaftlichen Erkenntnisstand verabsolutieren, ist diese Methode anzuraten.
Woher die Anhänger der phänomenologische Methode allerdings die Sicherheit hernehmen, dass die Phänomene auch mit dem Sein identisch sind, das ist mir schleierhaft. Es ist nicht ausschließbar, dass die Phänomene eben doch nur subjektive, psychische Schöpfungen sind, die sich vom objektiv Existierenden unterscheiden, oder besser ausgedrückt, die nur einen Teil des objektiven Seins sind. Wenn ich die Existenz anderer Ichs voraussetze, dann kann sich in deren »Weltmeinen« eben etwas anderes befinden als in meinem »Weltmeinen«. Ich sehe nicht, wie man mit der phänomenologischen Methode unterschiedliche subjektive Weltbilder ausschließen und den Skeptizismus überwinden kann. Ich sehe auch nicht wie man bei einer Beschränkung auf die phänomenologische Methode z. B. die Evolutionstheorie oder die Quantenmechanik entwickeln sollte.
Anmerkungen
Anm. 1: Z. B. Transzendentale Reduktion und Eidetische Reduktion.
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