»Gut hat gelebt, wer sich gut versteckt hat. Ich habe gar keine Lust, in der Welt angesehen zu sein, ich werde den Genuss ungestörter Muße stets für eine größere Wohltat halten als die ehrenvollsten Ämter der Erde.« Descartes (Aus der Rowohlt Monographie Descartes.) |
Rene Descartes (15961650), lat. Renatus Cartesius, (deshalb auch »cartesische Philosophie«) war ein französischer Philosoph, der seine philosophischen Schriften in Holland verfasste. Er war ein Physiker und hervorragender Mathematiker. Sein Hauptwerk Meditationen über die erste Philosophie widmete Descartes der katholischen theologischen Fakultät der Pariser Universität, mit der Auffassung, der Religion einen Dienst zu erweisen. Die Religiösen waren allerdings anderer Ansicht und setzten seine Schriften auf den Index. Auch von protestantischer und staatlicher Seite wurde er verdammt.
Das Werk Descartes war von außerordentlicher geschichtlicher Wirksamkeit. Descartes gilt den meisten Fachleuten als Begründer der modernen Philosophie und der modernen Subjektphilosophie. Sein berühmtester Satz ist:
Wie in der mittelalterlichen Philosophie seit Augustinus üblich, beschäftigt sich Descartes besonders mit den beiden Themen Gott und Seele.
Aufgabe der Wissenschaft sei Fortschritt! Arbeitserleichterung, soziale Verbesserungen und Selbstverwirklichung. (Wie bei Francis Bacon.)
Aufgabe der Philosophie sei, der Wissenschaft eine gesicherte Grundlage zu schaffen. Das könne nur auf streng logische Weise passieren, ohne auf einen religiösen Glauben zu verweisen. Descartes wollte die Philosophie zu einer Art Universalmathematik machen, zu einer Wissenschaft, in der durch Deduktion aus einfachsten Grundbegriffe alles andere abgeleitet wird.
Zweifel: Die Frage ist nach Descartes nun, wie kommt man zu solchen einfachsten Grundbegriffe, zu den ersten Prinzipien? Dazu sei es notwendig, zuerst einmal nichts als sicher annehmen, alles zu bezweifeln. Nicht nur, was man von anderen Menschen gelernt hat, auch was wir durch Wahrnehmung und Denken erfahren. Denn es gebe ja viele Sinnestäuschungen und auch bei dem Verstand könne man sich nicht sicher sein, ob er nicht dauernd täusche. [Dass Descartes auch bereits die Erkenntniskraft des Verstandes bezweifelt hat, bezweifle ich.]
Wenn man an allem zweifele, dann könne man schon eine sichere Aussage machen: Ich zweifle! Und da zweifeln soetwas wie denken bedeute, schloss Descartes »Ich denke, also bin ich.« [1] Denn wenn ich denke, dann müsse ich (auf welche Weise auch immer) existieren. [Diesen cartesischen Grundgedanken finde ich außerordentlich plausibel! Dass auch ich hier den Ausgangspunkt meines Philosophierens habe, verdanke ich Descartes. Die Gemeinsamkeiten sind aber ziemlich schnell vorbei. Im Übrigen ist anzumerken, dass diesen Grundsatz bereits Augustinus hatte und Descartes das wusste.]
Wahrheit: Mit dieser Gewissheit habe man bereits das Kriterium und Musterbeispiel der Wahrheit in der Hand. Alles, was man ebenso unmittelbar, klar und deutlich erkennen könne wie diesen Satz, müsse ebenso wahr sein.
Klar und deutlich erkennbar ist nach Descartes die Existenz Gottes. Dazu bringt er zwei »Gottesbeweise«:
1. Gottesbeweis: Descartes hat in seinem Bewusstsein die Idee Gottes als des vollkommensten Wesens. Dieses Wesen müsse existieren, denn sonst wäre es ja nicht vollkommen. ( Ontologischer Beweis wie bei Anselm.)
2. Gottesbeweis: Eine Wirkung könne nie vollkommener sein als ihre Ursache. [Wieso nicht?] Die Idee eines unendlichen Wesens könne nicht von meinem Verstand hervorgebracht werden, da dieser endlich sei. Die Idee des unendlichen Wesens setze deshalb dessen tatsächliche Existenz voraus, dessen Abbild diese Idee sei. ( Psychologischer Gottesbeweis wie bei wie bei Augustinus.)
Außer diesen beiden »Gottesbeweisen« hat Descartes aber noch weitere z. B. den ersten Beweger (den hatte auch schon Thomas von Aquin) und die Notwendigkeit eines unendlich starken und unendlichen intelligenten Mathematikers.
[Zum 1. Gottesbeweis: Der Fehler ist nach meiner Auffassung, dass von dem Begriff einer Sache oder Eigenschaft auf die reale Existenz der Sache oder Eigenschaft geschlossen wird. Außerdem wird Gott faktisch mit dem Sein gleichgesetzt als das Vollkommenste, wodurch der Begriff Gott jeden Erklärungswert verliert. Ein solch weiter Gottesbegriff hat genauso wenig Erklärungswert, wie der Materiebegriff Lenins. (Genaueres bei Anselm.)
Zum 2. Gottesbeweis: Die Behauptung eine Wirkung könne nicht vollkommener sein als die Ursache ist eine Vermutung. Sie ist unbeweisbar. Und woher weiß Descartes, dass sein Verstand endlich sei? Meint er endlich in der Zeit oder endlich in seiner Erkenntnisfähigkeit?]
Der Beweis der Existenz der äußeren Welt: Zu den Eigenschaften des vollkommenen Wesens müsse notwendigerweise die Wahrhaftigkeit gehören, sonst wäre dieses Wesen nicht vollkommen. Gott könne kein Täuschergott sein. Deshalb werde er mir die äußere Welt auch nicht vorgaukeln. Damit sei die Existenz der äußeren Welt bewiesen. [An dieser Aussage zeigt sich, dass auch die Ethik vom Zweifel ausgenommen blieb, was ich für inkonsequent halte.]
Der Ursprung des Irrtums: Wenn Gott uns in seiner Wahrhaftigkeit nicht täusche, woran liege es dann, dass wir uns so oft täuschen? Hier vertritt Descartes eine ähnliche Auffassung wie viele Christen zum Problem der Theodizee. Der freie Wille, den Gott uns gegeben habe, ermögliche es dem Menschen, die eine Vorstellung als wahr, die andere als falsch zu bezeichnen. Nur aus diesem Willen, nicht aus den Vorstellungen selbst entspringe der Irrtum. [?] Es hänge von uns selbst ab, ob wir richtig oder falsch dächten. Wenn wir uns nur auf das verließen, was wir unmittelbar, klar und deutlich erkennen könnten und uns allem anderen gegenüber skeptisch verhielten, dann würden wir denkend ein richtiges Bild von der Welt erhalten.
Rationalismus kontra Empirismus: Was uns die Sinne an Eigenschaften der Dinge zeigten, das genügt dem cartesischen Anspruch auf Klarheit und Deutlichkeit nicht. Sichere Erkenntnis sei nur das, was der denkende Verstand in völlig durchsichtigen, rationalen, mathematischen Begriffen ausdrücken könne.
Substanz ist für Descartes das, was zu seiner Existenz eines anderen Dinges nicht bedarf. Letztlich sei nur Gott Substanz.
Die materielle Körper-Welt ist für Descartes etwas, das tatsächlich unabhängig vom objektiven und subjektiven Geist existiert. Erschöpft sich also nicht wie bei anderen Philosophen darin, Wahrnehmung zu sein. Aus dem Vorhandensein bestimmter Bewusstseinsinhalte schließt er ohne Zweifel auf die materiellen Körper.
res cogitans und res extensa: Descartes findet in sich die Idee zweier Dinge, die er »geschaffene Substanzen« nennt und die keines weiteren Beweises bedürften: Geist und Körper. Der Geist sei unräumlich und unkörperlich. Die Ausdehnung im Raume sei jedoch das Wesen der Körperwelt. Beide Substanzen seien so getrennt, dass die Materie nie denke oder unmittelbar den Geist bestimme, und dass der Geist nie ausgedehnt sei, nie unmittelbar die Materie bestimme.
Die Okkasionalisten haben an diesen Gedanken angeknüpft und behauptet, die Verbindung von Geist und Körper werde immer und überall von Gott hergestellt.
Attribut ist für Descartes jene notwendige Eigenschaft, die nie fehlen darf, da ansonsten das Ding selbst nicht existieren würde. Es gibt nur zwei: Ausgedehntheit bei Körpern und Denken beim Geist.
Modus: Akzidentielle Veränderungen von Körper und Geist.
Beweis für die Unsterblichkeit der Seele: Wenn der Geist nicht vom Körper hervorgebracht wird, dann müsse er nicht mit dem Körper vergehen.
[Wieso müssen Geist und Körper überhaupt geschaffene Substanzen sein. Möglich ist, das beides schon immer existiert hat.
Wenn die Seele nicht mit dem Körper vergeht, dann heißt dies noch lange nicht, dass sie nie vergeht.]
Bewegung: Der Begriff der Ausdehnung beinhalte schon die Möglichkeit des Bewegtwerdens, wenn nur der erste Anstoß, der nicht von den Körpern selbst stammen könne, gegeben werde. Dieser erste Beweger sei Gott. Die der Materie von Gott gegebene Bewegung bleibe immer gleich (Gesetz von der Erhaltung der Energie).
Physik: Die ganze Physik lasse sich mathematisch und mechanisch aus den drei Begriffen Ausgedehntheit, Bewegung und Ruhe erklären. Dies treffe auch für lebenden Körper zu.
Bewusstlose Tiere: Tiere hätten kein Bewusstsein, sondern seien nur eine Art Maschine. Wenn man einen Esel schlage und dieser brülle, dann sei dies im Prinzip dasselbe, als ob man bei einer Orgel eine Taste drücke und diese dann einen Ton von sich gebe.
[Einige sehr weitgehende Materialisten haben in Analogie zu dieser Auffassung auch den Menschen nur als eine sehr komplizierte Maschine angesehen. (Z. B. die Französischen Materialisten.) Es gibt einen Menschen, für den ich das mit Sicherheit ausschließen kann: Für mich.]
Bewusste Menschen: Der menschliche Körper sei eigentlich auch ein Tier. Im Menschen aber seien Ausdehnung und Denken, Körper und Geist verbunden. Der Mensch habe ein Organ, die Zirbeldrüse, durch die oder in der diese Verbindung zustande käme.
»Ich denke, also bin ich.«
»Die größten Geister sind der größten Fehler ebenso wie der größten Tugenden fähig.«
»Das höchste Glück besteht in dem festen Willen, tugendhaft zu handeln.«
»Zur Erforschung der Wahrheit bedarf es notwendig der Methode.«
»Die gesamte Philosophie ist einem Baume vergleichbar, dessen Wurzel die Metaphysik, dessen Stamm die Physik und dessen Zweige alle übrigen Wissenschaften sind.«
»Die nur ganz langsam gehen, aber immer den rechten Weg verfolgen, können viel weiter kommen als die, welche laufen und auf Abwege geraten.«
»Immer bemüht sein, lieber sich selbst als das Schicksal zu besiegen, und lieber die eigenen Wünsche als die Weltordnung ändern! Begreifen, dass außer unseren eigenen Gedanken nichts vollständig in unserer Gewalt steht!«
»Die Leute streiten, weil sich nicht gelernt haben zu argumentieren.«
»Wenn auch die Fähigkeit zu täuschen ein Zeichen von Scharfsinn und Macht zu sein scheint, so beweist doch die Absicht zu täuschen ohne Zweifel Bosheit oder Schwäche.«
»Es reicht nicht aus, einen gut funktionierenden Verstand zu haben; das Wichtigste ist, ihn auch gut zu nutzen.«
»Nichts auf der Welt ist so gerecht verteilt wie der Verstand. Denn jedermann ist überzeugt, dass er genug davon habe« (Verkürzt. Dichter am Original: »Der gesunde Verstand ist die bestverteilte Sache der Welt, denn jedermann meint, damit so gut versehen zu sein, dass selbst diejenigen, die in allen übrigen Dingen sehr schwer zu befriedigen sind, doch gewöhnlich nicht mehr Verstand haben wollen, als sie wirklich haben.«)
»Ich halte nichts für wahr, solange ich es nicht als solches erkannt habe.«
»Alles was lediglich wahrscheinlich ist, ist wahrscheinlich falsch.« [Müll!]
»Alles Wissen besteht in einer sicheren und klaren Erkenntnis.«
»Es muss das Ziel der wissenschaftlichen Bestrebungen sein, den Geist so zu lenken, dass er über alle sich ihm darbietenden Gegenstände begründete und wahre Urteile fällt.«
»Beschreibt man die Bedeutung der Wörter so genau wie möglich, und man wird die Menschheit von der Hälfte ihrer Irrtümer befreien.« [Wörter sind mehrdeutig und deshalb gar nicht genau beschreibbar.]
»Zweifel ist der Weisheit Anfang.«
Vorweg möchte ich anerkennend sagen, dass Descartes das Verdienst zukommt, die Erkenntnistheorie zur Grundlage des Philosophierens gemacht zu haben. Er steht am Beginn der neuzeitlichen Subjektphilosophie, in dem er zu Beginn fragt, was er als denkendes Subjekt überhaupt wissen kann. Die Sicherheit Gottes, in der Regel für die antiken und mittelalterlichen Philosophen von Anfang an unumstößlich, kommt bei ihm erst als Resultat. Man kann den Ausgangspunkt Descartes anerkennen, ohne seine Resultate zu teilen.
Das Grundproblem des Dualismus löst auch Descartes nicht. Die Sache mit der Zirbeldrüse ist ja eher eine Lächerlichkeit, als ein ernstzunehmender Versuch, das offensichtliche Wirken von Geist und Materie aufeinander zu erklären. Geist und Materie können nach meiner Überzeugung nur deshalb aufeinander wirken, weil sie nur zwei Seiten der gleichen Medaille sind. Hier hat Spinoza die bessere Erklärung.
Descartes versuchte mit seinem Dualismus es sowohl der Religion wie der Physik recht zu machen. Als Seele hätten wir Willensfreiheit, als Körper unterlägen wir den Gesetzen der Mechanik, seien wir in unserem Handeln determiniert. Den Widerspruch, der daraus entsteht, kann Descartes nicht auflösen.
Descartes vertritt eine Art Evidenzialismus. An ihm kann man erkennen, dass auch der Evidenzialismus keine sichere Methode ist. Es kann verschiedenen Menschen verschiedenes evident erscheinen.
Descartes findet nach seinem »radikalen« Zweifel (der in Wirklichkeit nur ein methodischer Zweifel war) zur Sicherheit, dass die Welt auch unabhängig von seinem Denken existiert, nur dadurch zurück, dass er die Existenz Gottes »beweist« und gleichzeitig, dass dieser Gott kein Täuschergott sein kann. Wenn man Descartes in seinen Meditationen überzeugend findet bis zu dem Punkt, wo er nur noch weiß, dass er ein denkendes Etwas ist (und bis dort finde ich ihn sehr überzeugend), dann aber seine Gottesbeweise nicht teilt (und meines Wissens tut das heute fast keiner mehr), dann gibt es keinen Weg zurück zur Sicherheit über das unmittelbar Erlebte hinaus. (Außer Ausschließungsbehauptungen! Sehen Sie dazu bitte meinen Aufsatz Eine kurze Zusammenfassung meiner Philosophie.)
Ich habe den Eindruck, dass Descartes es mit seinem Zweifel gar nicht Ernst gemeint hat. Descartes hatte von Anfang an das Ziel, die Existenz Gottes und der Seele zu beweisen und zwar besser zu beweisen, als das die mittelalterliche Scholastik konnte. Sein Zweifel richtete sich sowieso nicht gegen den Verstand und gegen die geltende Moral, sondern nur gegen das überlieferte Wissen und die empirischen Wahrnehmungen. Weitere Kritik an Descartes im philolex-Artikel Spinoza.
Anmerkungen
Kant behauptete später, in diesem Satz steckten zwei verschiedene »Ichs«. Zurück zum Text