Es ist unter Philosophen und Naturwissenschaftlern, speziell Physikern, umstritten, ob der Mensch einen freien Willen hat oder in seinem Handeln total determiniert ist.
Es ist in der Geschichte von Philosophie und Naturwissenschaft sehr oft behauptet worden, die menschliche Willensfreiheit sei nur subjektiver Schein, existiere in Wirklichkeit gar nicht, da jeder Mensch in Kausalketten eingebunden sei und zwangsweise so handeln müsse, wie er handle. Wir glaubten in unseren Entscheidungen frei zu sein, da wir die Kausalketten nicht kennen, uns ihrer nicht bewusst seien. Zu den Philosophen, die dies behaupten gehören u. a. Spinoza, Schopenhauer und Nietzsche. Andere Philosophen gehen von der Freiheit des menschlichen Willens aus, z. B. Platon und Kant. (Beide auf idealistischer Grundlage.) Andere halten die Freiheit des Willens zumindest für möglich, wie Hume. (Auf skeptischer Grundlage.)
Im 20. Jahrhundert kam ein neuer Gedanke dazu: die Kopenhagener Deutung der Quantenphysik geht von der Nichtdeterminiertheit der Vorgänge im subatomaren Bereich aus. Daraus ziehen einige Philosophen den Schluss, dass die Annahme der Willensfreiheit nicht der Naturwissenschaft widerspricht. Z. B. Karl Popper (mit seiner Theorie der »World of Propensities«) und Carl Friedrich von Weizsäcker. Nach meiner Überzeugung ist die Verneinung der Willensfreiheit das Ergebnis eines unkritischen Schließens vom Denken auf das Sein. Ein Vorgehen, das ich in Übereinstimmung mit Hume und Kant für unzulässig halte. [1] Auf dem Boden eines konsequenten Skeptizismus ist die Frage unbeantwortbar, ob der Mensch Willensfreiheit hat oder in seinem Verhalten total determiniert ist. Beides ist denkmöglich. Der Ausgangspunkt für Philosophieren sollte das unmittelbare Erleben sein. Und ich erlebe keine Kausalität, wenn ich mich für dieses oder jenes entscheide. (Näher ausgeführt habe ich dies in Meiner Philosophie.) Dass die allgemeine menschliche Natur und die Natur des einzelnen Menschen, seine im Verlaufe seiner Sozialisation herausgebildete psychische Struktur und seine gesellschaftlichen und individuellen Lebensumstände sein Fühlen und Verhalten in einem starken Maße bestimmen, davon gehe ich aus. Eine ganz andere Frage ist, ob der Mensch eine Marionette dieser Faktoren ist. Präferenz bzw. Propensität ist eben nicht gleich Determiniertheit.
Eventuell haben Geist oder Bewusstsein eine physiologische Grundlage. Auch dann wäre der physiologische Prozess und der Bewusstseinsinhalt zwei verschiedene Dinge. So wie eine elektromagnetische Welle und eine Farbe verschiedene Dinge sind. Es ist durchaus denkbar, dass der Geist ab einer bestimmten Entwicklungsstufe eine zumindest partielle Autonomie gegenüber den physiologischen Prozessen gewinnt. Und das könnte dazu führen, dass nicht nur physiologische Prozesse psychische Prozesse verursachen, sondern zuweilen auch psychische Prozesse physiologische Prozesse verursachen und damit echte individuelle Freiheit entstünde. Die Heisenbergsche Unschärferelation will ich als Argument gegen die Kausalität nicht anführen, da es sich bei dieser These wohl um einen positivistischen Irrtum handelt. Wenn der Mensch im subatomaren Bereich die Kausalität nicht mehr feststellen, nicht mehr messen kann, dann bedeutet dies nicht automatisch, dass dort auch keine Kausalität ist. Da die Bestreiter der Willensfreiheit sich aber häufig auf die ist Naturwissenschaften berufen, ist es zumindest interessant und erwähnenswert, dass die These von der durchgängigen Determination aller Ereignisse auch in der modernen Naturwissenschaft nicht unumstritten ist. Neuerdings spricht auch die Chaosforschung gegen die durchgängige Determination. Wenn jemand behauptet, es sei gar kein Zweifel daran möglich, dass der Mensch in allen seinen Handlungen durchgehend determiniert ist, dann ist dies gleichbedeutend mit der Aussage: Ich habe unbezweifelbare ontologische Wahrheiten letzter Instanz. Wilhelm Busch: »Vor der Vernunft ist er nicht zu erweisen, aber doch muss man ihn fordern, sonst hört alle Selbstverantwortung auf.« Hans-Peter Dürr: »Die verantwortliche Nutzung der Willensfreiheit heißt: Kleine Schritte machen und abwarten, wie es sich im Verbund entwickelt.« Albert Einstein: »An Freiheit des Menschen im philosophischen Sinne glaube ich keineswegs. Jeder handelt nicht nur unter äußerem Zwang sondern auch gemäß innerer Notwendigkeit.« »Unser Handeln sei getragen von dem stets lebendigen Bewusstsein, dass die Menschen in ihrem Denken, Fühlen und Tun nicht frei sind, sondern ebenso kausal gebunden wie die Gestirne in ihren Bewegungen.« »Schopenhauers Spruch: ›Ein Mensch kann zwar tun, was er will, aber nicht wollen, was er will‹, hat mich seit meiner Jugend lebendig erfüllt und ist mir beim Anblick und beim Erleiden der Härten des Lebens immer ein Trost gewesen und eine unerschöpfliche Quelle der Toleranz.« Friedrich Hebbel: »Der Mensch hat freien Willen d. h. er kann einwilligen in's Notwendige.« Kant: »Eben so muss der entschlossenste Fatalist, der es ist, so lange er sich der bloßen Spekulation ergibt, dennoch, so bald es ihm um Weisheit und Pflicht zu tun ist, jederzeit so handeln, als ob er frei wäre, und diese Idee bringt auch wirklich die damit einstimmige Tat hervor und kann sie auch allein hervorbringen. Es ist schwer, den Menschen ganz abzulegen.« Friedrich Nietzsche: »Der ›unfreie Wille‹ ist Mythologie: im wirklichen Leben handelt es sich nur um starken und schwachen Willen.« Aber auch: »Das Verlangen nach ›Freiheit des Willens‹, in jenem metaphysischen Superlativ-Verstande, wie er leider noch immer in den Köpfen der Halb-Unterrichteten herrscht, das Verlangen, die ganze und letzte Verantwortlichkeit für seine Handlungen selbst zu tragen und Gott, Welt, Vorfahren, Zufall, Gesellschaft davon zu entlasten, ist nämlich nichts Geringeres, als eben jene causa sui zu sein und, mit einer mehr als Münchhausen’schen Verwegenheit, sich selbst aus dem Sumpf des Nichts an den Haaren in’s Dasein zu ziehen.« Und dann noch: »Ich lache eures freien Willens und auch eures unfreien: Wahn ist mir das, was ihr Willen heißt, es gibt keinen Willen.« [Und das schreibt der, der den Willen zur Macht zum Zentrum seiner Philosophie gemacht hat! Nietzsche hat heute dies, morgens jenes geschrieben, ohne noch zu überlegen, oder überlegen zu können, ob das zusammenpasst.] Schopenhauer: »Ein Mensch kann zwar tun, was er will, aber nicht wollen, was er will.« Anmerkungen
Meine Vorstellungen zur Willensfreiheit
Zitate zur Willensfreiheit
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