»Try to realise it's all within yourself –
no-one else can make you change. [...]
And the time will come when you see we're all one
And life flows on within you and without you.«
[1]
George Harrison (1943–2001)
Beatles, Within you without you




Die Brahman-Atman Lehre


Kurzbeschreibung des Brahmanismus

Der Brahmanismus oder die Brahman-Atman Lehre ist eine in Indien entstandene und bis heute einflussreiche pantheistische religiös-philosophische Lehre.

Das vedische Zeitalter ist eine Epoche der indischen Geschichte und umfasst etwa die Zeit zwischen 1500 und 400 vor unserer Zeitrechnung.

Die Veden (indisch: Wissen, sprachlich mit diesem Wort verwandt) sind Schriften, die von verschiedenen Personen zu verschiedenen Zeiten aufgezeichnet wurden. In ihnen sind mystische, religiöse und philosophische Gedanken dargelegt. Der Umfang der Veda übertrifft die  Bibel um das Sechsfache. Neben bestimmten einheitlichen Grundtendenzen sind die Aussagen des Öfteren widersprüchlich.

Die Upanischaden sind ein jüngerer Teil der Veda. Sie sind vorwiegend mystisch und pessimistisch und stehen damit im Gegensatz zu der Diesseitigkeit und Lebensbejahung der altvedischen Zeit. Zwei Bestandteile der Upanischaden sind die Brahman-Atman Lehre und der Glauben an die Seelenwanderung, an die Wiedergeburt.

Brahman: Ursprünglich Gebet, Zauberspruch beim Opfer. Im Brahmanismus wandelte sich seine Bedeutung vom Gebet zum Objekt des Gebets, zum allgemeinen schöpferischen Weltprinzip, zum Urgrund allen Seins, zur Weltseele. Brahman stehe hinter oder jenseits aller Erscheinungen, jenseits von Raum und Zeit, jenseits von  gut und böse. Brahman umschließe alles. Aus Brahman sei alles hervorgegangen und in Brahman kehre alles zurück. [Interessant ist die unterschwellige Dialektik. Die Dinge sind in und außerhalb von Brahman.] Erst im späteren Hinduismus wird aus dieser unpersönlichen geistigen Kraft, diesem Neutrum, der persönliche, männliche Gott Brahman.

Atman: Ursprünglich (Lebens)Hauch, Atem (sprachlich mit diesem Wort verwandt). Die Einzelseele. Atman sei das einzig wahre Sein, das wahre Selbst des Menschen, das hinter allen konkreten Formen und Bewusstseinsinhalten des Menschen stehe (so wie Brahman hinter allen konkreten Formen der Welt), das bei allen Veränderungen der Wahrnehmungen, Gedanken und Gefühlen unveränderlich bleibe. Wenn man den Körper wegdenke und von dem verbleibenden Bewusstsein alles Wollen, Denken, Fühlen, Bedürfen und Erinnern abrechne, dann komme man ungefähr zu dem, was Atman ist. ( Substanzialismus) [Vielleicht soetwas, wie Bewusstsein ohne jeden Inhalt. Aber Bewusstsein ohne Inhalt ist mir nicht vorstellbar.] Atman ist der im Menschen verborgen ruhende göttliche Urgrund. [Das  unerschaffene Seelenfünktlein, wie Meister Eckhart es nannte.]

Brahman und Atman sind eines: Die kosmische Substanz Brahman und die psychische Substanz Atman seien völlig wesensgleich (»aham brahma asmi« = »ich bin Brahman«). Es gebe überhaupt nur eine wahre Wesensheit die auf der Ebene des Weltganzen betrachtet Brahman, auf der Ebene des Einzelwesen Atman ist. Das Weltall sei Brahman und Brahman ist der Atman im Menschen.

Erkenntnis: Die Erkenntnis, dass Brahman und Atman eines sei, sei die höchste Wahrheit. Sie sei allerdings nicht mit dem Verstand begreifbar, sondern nur in mystischer Ekstase erfahrbar. Diese Wahrheit sei überhaupt nur wenigen Menschen zugänglich und auch diesen nur nach einem langen Prozess der Selbstdisziplin, Entäußerung, Askese, Auferlegung von Anstrengungen und Qualen, völliger Abziehung der Aufmerksamkeit und des Wollens von der äußeren Welt etc.

Maya: Mit dem Verstand blieben wir immer in der Welt der Maya stecken. Maya sei die Welt der materiellen Dinge in Raum und Zeit, die Vielheit. Sie sei nur Trugbild, Schleier, Illusion. Ihre Kenntnis sei nur Scheinwissen. Der Zugang zum Wesen der Welt liege in unserem Inneren verborgen.

Karma: Ursprünglich rituelles Werk eines Menschen. Später die Summe aller nicht vergoltenen Taten von Lebewesen, die auf die Zukunft wirkten. Und zwar nicht nur im Sinne einer materiellen Kausalität.

Samsara: Seelenwanderung. Es gebe auch eine ethische Kausalität. Das Karma eines Lebewesens entscheide darüber unter welchen Umständen die Seele nach dem Tode des Körpers sich einen neuen Körper schaffe, ob die Seele auf niederer oder höherer Ebene wiedergeboren werde.

Mokscha: Erlösung. Das Leben sei Leiden. Die endlose Wiedergeburt sei deshalb nicht wünschenswert. Erstrebenswert sei, durch richtigen Lebenswandel und damit durch die Erkenntnis der Wahrheit die Kette der Wiedergeburten zu durchbrechen, die individuelle Existenz zu überwinden und in Brahman aufzugehen, wie ein Fluss im Meer aufgeht. Dafür sei notwendig, dass alle Taten vergolten seien, kein Karman mehr übrig bleibe, das zur Wiedergeburt dränge.


Meine Auffassungen zum Brahmanismus

Interessant sind hier vier fundamentale Unterschiede zur Gruppe der jüdisch/christlich/islamischen Religion:

  1. In der brahmanischen Religion gibt es keine feste unüberwindliche Trennung zwischen Gott und Menschen. Hier ist nicht Gott der Herr und der Mensch der Knecht, hier sind Gott und Mensch letztlich identisch. (Was zu behaupten für die oben genannte Religionsgruppe ein unerhörter Frevel ist.) [Hegel hat im Endeffekt genau dies behauptet. Allerdings waren bei ihm »objektiver Geist« und subjektiver Geist identisch und gleichzeitig nicht identisch. Das war auch das Neue gegenüber Spinoza. Wobei noch anzumerken ist, dass Hegel selbst den Begriff  objektiver Geist anders verwendet, als ich das hier mache. Ich verwende ihn für Gott oder Weltgeist.]

  2. In der brahmanischen Religion ist Gott keine Person, kein Individuum, kein Ich, das heißt kein Übermensch, sondern eine unpersönliche geistige Kraft. (Der Hinduismus hat später dann aus Brahman einen persönlichen Gott gemacht.)

  3. In der brahmanischen Religion gibt es keine ewige Fortexistenz der individuellen Einzelseelen. (Einige Spielarten des Hinduismus glauben allerdings daran.)

  4. Der Gedanke der Seelenwanderung, der Wiedergeburt und der Vergeltung in späteren Leben (Plural) unterscheidet sich wohltuend von der Vorstellung, dass die Taten in einem vergleichsweise sehr kurzen Zeitraum anschließend mit ewiger Verdammnis oder ewiger Glückseligkeit vergolten werden. (Ganz abgesehen mal von der Prädestinationslehre, die behauptet, dass ein »Lieber« Gott Seelen schaffe, die von vornherein zur ewigen Verdammnis, bzw. zur ewigen Folter vorherbestimmt seien. Siehe  Augustinus und  Calvin.)

Zu kritisieren finde ich folgendes:


Zitate zum Brahmanismus

Schopenhauer über die Upanischaden: Sie sind die »belohnendeste und erhebendeste Lektüre, die [...] auf der Welt möglich ist: sie ist der Trost meines Lebens gewesen und wird der meines Sterbens sein.«

Upanishaden: »Das höchste Brahman, die Seele von allem, die große Stütze der Welt, feiner als das Feine, das immer Seiende, das bist du, das bist du.«

Upanishaden: »Der Geist ist für die Menschen die Ursache von Fessel und Freiheit. Zur Fessel dient das Haften an der Sinneswelt, die Abkehr von ihr zur Freiheit.«


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Anmerkungen

Anm. 1:
»Versuche zu verstehen, es ist alles in Dir,
kein anderer kann Dich verändern.
Und die Zeit wird kommen, in der Du siehst,
wir sind alle eins / Einer
und das Leben geht weiter in Dir und außerhalb von Dir.«
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