Humanismus

Der Begriff Humanismus hat eine aktuelle und eine historische Bedeutung:

Aktuell bedeutet Humanismus das Streben nach Humanität, also Menschlichkeit, nach Freiheit, Toleranz, Respekt vor anderen Menschen u. ä. Es geht um eine der Menschenwürde und der freien Persönlichkeitsentfaltung angemessene Gestaltung des Lebens und der Gesellschaft. Dieser Humanismus steht in der Tradition der europäischen Aufklärung.

Historisch gesehen war (und ist) der Humanismus eine geistige Bewegung die im späten Mittelalter (ca. Mitte des 14. Jahrhunderts) in Italien entstand und sich zu Beginn der Neuzeit (ca. ab dem Jahre 1500) auch in anderen Teilen Europas ausbreitete. Sie wird von den Historikern und Philosophen in verschiedene Phasen aufgeteilt und dauert bis in die Gegenwart an. Wichtigster Grundzug ist eine an der Antike orientierte menschliche (humane), nicht theologische Bildung. Die Humanisten begannen die im Mittelalter verschollene Literatur der Antike zu sammeln und zu erschließen. Die humanistische Bewegung hatte einen vorwiegend literarischen Charakter, griff aber darüber hinaus auf alle Bereiche des geistigen Lebens über. Es wurde versucht die antiken philosophischen Systeme in ihrem ursprünglichen nicht von der Scholastik beeinflussten Gehalt wiederzubeleben.

Die aktuelle und die historische Bedeutung von Humanismus haben nur bedingt etwas miteinander zu tun. Viele Missverständnisse in den Diskussionen über den Humanismus entstehen dadurch, dass diese beiden Bedeutungen entweder nicht genügend bekannt sind, oder nicht eindeutig genug unterschieden werden.


Humanismus ausführlicher


Die aktuelle Bedeutung des Begriffs Humanismus

Grundwerte des Humanismus:

Wer den Humanismus in der hier dargestellten Bedeutung für tot hält, von dem wüsste ich gerne die Alternativen!


Die historische Bedeutung des Begriffs Humanismus

Der Renaissance-Humanismus, ca. 1450–1600

Der Humanismus blieb im starken Maße dem Christentum und mittelalterlichen Lehren verpflichtet. Die  Humanisten waren zum Teil in der Kirche und bei den Päpsten hochangesehene Leute. Durch die Wendung gegen die Scholastik, gegen Aberglauben und Dogmatismus wurde der Humanismus aber zu einer die Aufklärung vorbereitenden Bewegung. Der Humanismus hat die Reformation angestoßen, sie erst möglich gemacht. Humanismus und Reformation gingen dann allerdings vielfach andere Wege. War es am Anfang die römische Antike, an der sich die Humanisten orientierten, so gewann mit der Zeit auch die griechische Antike an Einfluss.

Platonismus: Nach der Eroberung Konstantinopels (heute Istanbul, in der Antike Byzanz) durch die Türken (1453) kamen viele griechische Gelehrte nach Italien, unter denen die Kenntnis Platons lebendiger geblieben war als im lateinischen Europa. Georgios Gemistos Plethon (1360–1452) gründete in Florenz eine neue Akademie.

Aristotelismus: Die von den Humanisten geförderte philologisch exakte Kenntnis des Aristoteles machte es den Scholastikern immer schwerer, die Übereinstimmung zwischen aristotelischer Philosophie und Christentum zu behaupten. Dies wurde besonders in der Frage der Unsterblichkeit deutlich. Mit dem 15. Jahrhundert war die Rolle des Aristoteles als Stütze des christlichen Glaubens vorbei.

Während der Humanismus eine Sache der Gelehrten blieb, griff die aus ihm hervorgehende Renaissance auf allen Lebensbereichen über. Wissenschaft, Medizin, Technik, Rechts- und Kaufmannswesen, Architektur, Bildhauerei, Malerei.


Vertreter des Renaissance-Humanismus

Boccaccio, Giovanni (1313–1375). Italienischer  Humanist und Schriftsteller. Werk: Il Decamerone. (Novellensammlung)

Dante Alighieri (1265–1321). Italienischer Dichter. Gilt als einer der bedeutendsten Schriftsteller des Mittelalters. Vorläufer des  Humanismus. Studierte Philosophie und Theologie in seiner Heimatstadt Florenz. Bekleidete dort hohe politische Ämter bevor er von einer konkurrierenden Partei verbannt wurde. Hauptwerk: Die göttliche Komödie.

Erasmus von Rotterdam (1466–1536). Siehe Extraseite.

Hutten, Ulrich von (1488–1523). Deutscher  Humanist. Von adliger Herkunft wurde er von seinem Vater verstoßen und führte darauf hin ein unstetes Wanderleben, studierte an verschiedenen Orten in Europa. Er war Vertreter eines politischen patriotischen Humanismus. Er forderte ein geeintes Deutschland unter einem mächtigen Kaiser, das nicht vom Papst bevormundet wird. Hutten schrieb – für die damalige Zeit ungewöhnlich – in deutsch. In satirischen Schriften prangerte er kirchliche Missstände an.

Melanchton, Philipp (1497–1560). Der erste »protestantische Theologe« wird häufig zu den Humanisten gezählt. Näheres bei  Reformation.

Montaigne, Michel (1533–1592). Französischer  Humanist und Schriftsteller. Siehe Extraseite

Morus, Thomas (1478–1535). Englischer  Humanist und früher Sozialist. Siehe Extraseite.

Petrarka, Francesco (1304–1374). Einer der bedeutendsten italienischen Dichter. Gilt als Begründer des  Humanismus.

Poggio, Bracciolinis (1380–1459). Italienischer  Humanist aus Florenz. Stark mit der katholischen Kirche verbunden, war er trotzdem ein Kritiker kirchlicher Missstände.

Reuchlin, Johannes (1455–1522). Deutscher  Humanist, Schriftsteller und Begründer der christlichen Hebraistik. (Wissenschaft von den hebräischen Sprachen.) Versuchte eine Balance zwischen Humanismus und religiöser Toleranz (den Juden gegenüber) einerseits und Treue zur katholischen Kirche andererseits.

Valla, Laurentius (1407–1457). Italienischer  Humanist. Werk: Dialektische Disputationen.


Weiterentwicklungen des Humanismus

Im 18. und 19. Jahrhundert entstand der Neuhumanismus, der besonders von Humboldt, Winkelmann, den Vertretern der Romantik und Hegel entwickelt wurde. Die Begeisterung für die Antike wurde mit den sich gerade entwickelnden Geisteswissenschaften und der zeitgenössischen Philosophie verbunden. Der letzte Zweck des Menschen und des Weltalls sei die Bildung der Individualität.

Sozialistische Theoretiker betonen, dass der Humanismus nicht nur eine Sache privilegierter Bildungsbürger sei oder sein dürfe. Es gehe auch um aktive Gesellschaftsveränderung um allen Menschen die gleichen Bildungschancen zu ermöglichen. Von marxistischer Seite werden die Humanisten und Neuhumanisten als Vorläufer der beiden wahren Humanisten Marx und Engels angesehen.

Heidegger sieht den Humanismus sowohl als Basis wie als Folge von Metaphysik und bezieht ihn in seine Metaphysikkritik ein.

Die französischen Existentialisten wollten dem Humanismus ein neues existentialistisches und soziales Fundament geben.

Eine Weiterentwicklung des Humanismus zu sein, beansprucht der Transhumanismus.


Meine Kritik am Humanismus

Bei den Humanisten – in der aktuellen Form – wird alles Schlechte als »unmenschlich« bezeichnet, was auf eine Schönfärberei des Menschen hinausläuft. Das Schlechte ist auch ein Teil des Menschen und damit menschlich. Sehen Sie hierzu auch meinen Aufsatz Über die negative Seite des Menschen. Die »Grundwerte des Humanismus« werden von mir als ethische Forderungen unterstützt.

Die Humanisten hatten von wenigen Ausnahmen abgesehen – Morus – kein Verständnis für die soziale Frage. Die Masse des Volkes blieb von humanistischer Bildung ausgeschlossen, bildete nur die Basis, den Nährstand, die es einer privilegierten Minderheit ermöglichte, sich mit Kultur, besonders Literatur zu beschäftigen. Und sie kritisierten zwar kirchliche Missstände, standen der Religion und dem Christentum als Ganzem aber kritiklos gegenüber. Erkenntnistheorie wurde in der Regel keine betrieben.


Zitate zu Humanismus

Albert Einstein: »Eine Verbesserung der Bedingungen auf der Welt ist im wesentlichen nicht von wissenschaftlicher Kenntnis, sondern vielmehr von der Erfüllung humaner Traditionen und Ideale abhängig.«

Mahatma Gandhi: »You must not lose faith in humanity. Humanity is an ocean; if a few drops of the ocean are dirty, the ocean does not become dirty.« [»Sie dürfen nicht den Glauben an die Menschheit verlieren. {humanity kann auch mit »Menschlichkeit« oder »Humanität« übersetzt werden} Wenn ein paar Tropfen des Ozeans schmutzig sind, dann wird dadurch nicht der Ozean schmutzig.« Umgekehrt stimmt es leider auch. Ein paar Tropfen sauberes Wasser reinigen keine Kloake. Und die Menschheit ist mindestens eine Mischung aus Kloake und sauberer Ozean.]

Peter Sloterdijk: »Dies ist der von Nietzsche postulierte Grundkonflikt aller Zukunft: der Kampf zwischen den Kleinzüchtern und den Großzüchtern des Menschen – man könnte auch sagen zwischen Humanisten und Superhumanisten, Menschenfreunden und Übermenschenfreunden.« [Nietzsche war keine Superhumanist sondern ein Antihumanist.]

Richard von Weizsäcker: »Europa muss, seinem Erbe getreu, einen neuen Humanismus verkörpern, als Hort der Menschenwürde und der sozialen Gerechtigkeit.«


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