Konrad Lorenz (19031989), Österreichischer Verhaltensforscher und Schriftsteller. Erforschte die stammesgeschichtliche Entwicklung des den Tieren angeborenen Verhaltens. Bekannt sind besonders seine Versuche mit Graugänsen. Während der Nazizeit hatte er eine gefährliche Nähe zum Nationalsozialismus. Er selbst behauptete später, sich nur der Terminologie der Nazis angepasst zu haben, nicht ihrer Ideologie. Trat für den Umweltschutz ein. Beeinflusste stark Hoimar von Ditfurth.
Lorenz gilt als Begründer oder Mitbegründer der Ethologie. Sie ist die Wissenschaft vom instinktiven Verhalten der Tiere, den Auslösemechanismen bzw. Schlüsselreizen für bestimmte Verhaltensweisen und die stammesgeschichtliche Entwicklung des angeborenen Verhaltens. Lorenz behauptete die ethologische Prägung des Verhaltens von Tieren und Menschen und bekämpfte in diesem Zusammenhang den Behaviorismus.
Lorenz erforschte das Verhalten und die Evolution der Tiere und des Menschen. Seine Auffassungen von der stammesgeschichtlichen Entstehung des Körperbaus und des Verhaltens sind bahnbrechend für die Verhaltensbiologie.
Die »Instinkt-Dressur-Verschränkung« sagt etwas aus über das Zusammenwirken von angeborenen und erworbenen Teilen des Verhaltens höherer Tiere. (Und letztlich auch des Menschen.)
Lorenz sah in der Natur ein »Intelligenzanaloges Verhalten«. Dies ist eine Absage an die Vorstellung, höhere, komplexere Strukturen seien zufällig entstanden.
Lotenz Arbeiten sind bahnbrechend für die Evolutionäre Erkenntnistheorie. Die kantischen Kategorien wie Zeit, Raum und Kausalität seien angeboren. Nicht das einzelne Individuum habe sie durch Erfahrung erworben, aber die menschliche Gattung habe sie durch Erfahrung über viele Generationen hinweg erworben. Diese Erfahrungen hätten sich niedergeschlagen in der Arbeitsweise unseres Gehirns.
Lorenz geht weder von der totalen Unerforschbarkeit der realen Welt aus (des »Ding an sich«), noch davon, dass unsere Erkenntnisse absolute Wahrheiten seien. Die Kategorien, mit denen unser Verstand arbeite, passte genauso zur Realität, wie die Flosse des Fisches ins Wasser und der Huf des Pferdes in den Steppenboden. Körperliche und intellektuelle Fähigkeiten hätten sich in einer äonenlangen Evolutionsgeschichte in Auseinandersetzung mit der realen Welt entwickelt, um einem Lebewesen das Überleben zu ermöglichen. Unsere Verstandes-Kategorien entsprächen real Existierendem in der von unabhängig existierenden Welt, das wir aber immer nur mit denen uns von der Evolution zu Verfügung gestellten Erkenntnisinstrumente betrachten könnten. Was wir haben, sei ein Bild von der Welt, das mit der realen Welt Übereinstimmungen aufweise. Letztendlich seien aber alle unsere Erkenntnisse Arbeitshypothesen.
Wenn es aber auch keine absolute Wahrheit gebe, so sei doch jede Erkenntnis ein Schritt vorwärts. (Ähnlichkeit zu Popper, der glaubt, sich der Wahrheit anzunähern, ohne sie je zu erreichen.) [Der Skeptizismus ist auf diesem Wege weder von Popper von noch Lorenz überwindbar. Der ist nur überwindbar, wenn man das Falsifikationsprinzip auch im philosophischen Bereich anwendet. Wie ich es in meinem Ausschließungsverfahren mache.]
Lorenz, der zeitweise in Königsberg auf Kants Lehrstuhl saß, anerkannte Kants Leistungen um die Erkenntnistheorie, bemängelte aber, dass Kant eine statische Betrachtungsweise von einem erwachsenen Kulturmenschen innerhalb eines unveränderlichen Systems gehabt habe und forderte, die kantische Philosophie um den Aspekt der Entwicklung des Erkenntnisvermögens zu ergänzen. Der Mensch, dessen Erkenntnisvermögen Kant untersucht habe, sei nur eine Augenblicksaufnahme innerhalb der Evolutionsgeschichte. Die Vorstellung, dass alle vernünftigen Wesen an menschliche Denkgesetze gebunden seien, war für Lorenz nicht zu rechtfertigender Anthropozentrismus.
Lorenz hielt grundsätzliche Veränderungen der Menschen und ihrer Gesellschaft für unmöglich. Dies könnten nur die »großen Konstrukteure des Artenwandels« bewerkstelligen. [Die »großen Konstrukteure des Artenwandels« werden die Menschen mittels Gentechnologie eventuell selbst.]
Andererseits sah er aber einen »ethisch-moralische Verfall« der Gesellschaft als Folge der »Selbstdomestikation«, der »Verhausschweinung« des modernen Menschen und der »Hybridisierung zwischen den Rassen«.
Die heutigen Neubauviertel nannte Lorenz »Massenställe für Nutzmenschen«.
Lorenz hat sich zu sehr den Nazis angebiedert, sosehr er das später auch bestritten hat. (Beides hat er mit vielen deutschen und österreichischen Philosophen und Wissenschaftler gemeinsam.) Dass er allerdings durch und durch Nazi war, ist auf grund seiner wissenschaftlichen und philosophischen Auffassungen unwahrscheinlich. Sein oben hervorgehobener Ausspruch, dass alles Arbeitshypothese sei, passt nicht zum Fanatismus und Dogmatismus der Nazis. Wie auch immer, seine wissenschaftlichen und erkenntnistheoretischen Aussagen würden dadurch nicht automatisch falsch. Es ist leider bei einigen Menschen(gruppen) üblich, die Richtigkeit der Aussagen eines Wissenschaftlers oder Philosophen von seinem politischen Standpunkt abhängig zu machen. So simpel ist es nicht! [1]
Dass die kantischen Kategorien wie Zeit, Raum und Kausalität von den Menschen durch Erfahrung über viele Generationen hinweg erworben wurden und sich diese Erfahrungen in der Arbeitsweise unseres Gehirns niedergeschlagen hätten, ist jedenfalls eine sehr interessante naturwissenschaftlich-philosophische Hypothese. Dies gilt unabhängig davon, ob Lorenz ein Nazi war oder nicht.
Die natürliche Seite des Menschen ist bei seiner Beurteilung so wichtig, wie seine gesellschaftliche Seite. Die ethologische Betrachtung des Menschen ist eine notwendige aber nicht hinreichende Methode menschliches Verhalten zu erklären. Gerade in unserer heutigen Zeit, wo fast kein Tag vergeht, an dem Genforscher nicht neue Erkenntnisse veröffentlichen, über die Bedeutung bestimmter Genkonstellationen für die Präferierung bestimmter Verhaltensweisen, Krankheiten etc., ist eine Ignoranz der natürlichen Seite des Menschen immer unannehmbarer. Aber viele (besonders linke) Sozialwissenschaftler haben sich darauf festgelegt, dass menschlichen Verhalten ausschließlich oder doch ausschlaggebend von den gesellschaftlichen Lebensumständen geprägt ist ( Marx) und noch so viele Forschungsergebnisse können sie nicht vom Gegenteil überzeugen. Gegen Dogmatismus ist eben noch kein Kraut gewachsen. Aber so wichtig die Untersuchung der natürlichen Seite des Menschen auch ist, eine Ignorierung der gesellschaftlichen und psychischen Seite des Menschen ist ebenso falsch. Dass die gesellschaftlichen Umstände, unter denen ein Mensch lebt, mit ursächlich sind für sein Verhalten, ist für jemanden, der Soziologie und Sozialpsychologie studiert hat, offensichtlich. Ebenso spielt die im Verlaufe der Sozialisation entstandene individuelle psychische Struktur eine Rolle. Lorenz: »dass die Humanpsychologie (...) merklich von dem Gedankengut der jüdisch daherredenden und worteschwelgenden Judengrößen durchsetzt ist. Einer der wenigen Fälle, wo ich das Schädlingstum der Juden uneingeschränkt anerkenne.« Diese Äußerung ist nicht nur antisemitisch, sie ist außerdem Ausdruck von Ignoranz gegenüber der psychischen Seite des Menschen. (Denn diese Äußerung ist ja wohl gegen Freud, Adler und ihre Anhänger gerichtet.) »Der Fehler, den Konrad Lorenz macht: Er begreift die Evolutionstheorie als eine ontologische Beschreibung, er geht von der Auffassung aus, dass sich die Tiere und die Menschen tatsächlich und in Wirklichkeit auf eine bestimmte Weise evoluiert haben. Das ist eine empirisch gut begründbare Annahme, aber empirische Annahmen reichen nicht in die Ontologie.« Ernst von Glasersfeld.) Eine Gegenposition zu Lorenz nimmt der Behaviorismus ein. Anmerkungen
Kommentare anderer Philosophen zu Konrad Lorenz
Literatur und Sekundärliteratur
Literatur: (Auswahl)
Sekundärliteratur: