Letztbegründung

Eine Behauptung oder Aufforderung gilt als letztbegründet, wenn sie einer weiteren Begründung nicht bedarf. (Im gesellschaftlichen, zwischenmenschlichen Bereich muss eine solche Letztbegründung »intersubjektivierbar« sein.) Ob eine solche Letztbegründung möglich sei, ist in der gegenwärtigen Philosophie umstritten.

Die Bestreiter der Möglichkeit einer Letztbegründung, z. B. der Kritische Rationalist Hans Albert argumentieren, dass Begründungen immer theoretisch und deshalb hinterfragbar seien. Bei dem Versuch der Letztbegründung gerate man in das  Münchhausentrilemma.

Die Philosophen, die die Letztbegründung für möglich halten, z. B. Apel, setzen dieser Auffassung ein pragmatisches Argument entgegen. Um den Zweifel an einer bestimmten Behauptung zu artikulieren, müsse man bestimmte Regeln, Voraussetzungen – z. B. sprachliche – anerkennen. Letztbegründet seien die Regeln, die sprachlichen Ausdruck und damit die Argumentations- oder Kommunikationsgemeinschaft erst möglich machen.

Auch die Vertreter der Frankfurter Schule werden in der Regel zu denen gezählt, die Letztbegründung für möglich halten. (Z. B im Schülerduden Die Philosophie.) Habermas hat die von Apel vertretene Art der Letztbegründung allerdings abgelehnt.


Meine Auffassung zur Letztbegründung

Nach meiner Überzeugung sind gewisse Arten von Letztbegründungen möglich, bzw. es gibt bestimmte Aussagen bzw. Erlebnisse, die nicht bezweifelbar sind. Wenn ich Schmerzen habe, kann ich die Existenz dieser Schmerzen nicht bezweifeln. Ginge das, wäre dies die einfachste und kostengünstigste Schmerztherapie. Wie ich in dem Essay Wissen, Vermutungen und Praxis näher ausgeführt habe, ist das unmittelbare Erleben als subjektive Wahrheit nicht bezweifelbar und stellt somit eine subjektive Letztbegründung dar. Diese ist aber nicht intersubjektivierbar, da das Fremdseelische nicht erreichbar und damit bezweifelbar bleibt, wie ich im philolex-Beitrag  Solipsismus näher erläutert habe. Darüber hinaus kann diese Letztbegründung auch keinen unbezweifelbaren Anspruch auf Kontinuität erheben.

In Meiner Philosophie vertrete ich die Auffassung, dass es Ausschließungsbehauptungen gibt, die nicht bezweifelbar sind, ohne sich zum Idioten zu machen. Solche Ausschließungsbehauptungen sind z. B. »Das Märchen Rumpelstilzchen gibt keine tatsächlich stattgefundenen Ereignisse wieder.« Oder »Die Offenbarung des Johannes gibt keine in der Zukunft tatsächlich stattfindenden Ereignisse wieder.« Hier handelt es sich um eine Art objektiver Letztbegründung. Will man die Richtigkeit dieser Sätze bezweifeln, muss man seine Vernunft aufgeben und damit auch die Philosophie. Ein gewisses Maß an Dogmatismus ist unvermeidbar. Sehen Sie hierzu auch meinen Aufsatz Gedanken zur Erkenntnistheorie. Ich vertrete eine Art von »negativem Evidenzialismus«. [1]


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Anmerkungen

Anm. 1: Ich möchte kurz den Hintergrund erläutern, vor dem ich diese Auffassung entwickelt habe. Das wird verdeutlichen, warum ich diese Position vertrete. Ich stamme aus einer Arbeiterfamilie, die seit Generationen mit einer christlichen Sekte verbunden war. Da gab es so gut wie keine Bildung. Mir wurde in meiner Kindheit ein Buchstabenglauben an die  Bibel anerzogen und auf grund meiner schlechten Schulbildung (faktisch sieben Jahre Volksschule) wurde dem nichts entgegengesetzt. Als ich als junger Erwachsener wissenschaftliche und philosophische Welterklärungen kennenlernte, da eröffnete sich für mich eine qualitativ höhere Weltsicht. Das waren nicht einfach nur Konkurrenzerklärungen.
Und zu der Zeit, als ich über den 2. Bildungsweg studierte und u. a. Marx, Hegel, Kant, Schopenhauer, Popper, aber auch Kopernikus, Darwin, Einstein, Planck, Schrödinger etc. kennenlernte, da habe ich erlebt, wie sich meine Verwandten darüber unterhielten, dass während der »Großen Trübsal« der Teufel tausend Jahre festgebunden wird.
Ich weiß aus eigenen Erfahrungen, was die Abwesenheit von Bildung und Vernunft bedeutet. (Deshalb meine starke Abneigung gegen Rousseau und Kierkegaard.)
Zu der Zeit, in der ich mich mit den Meditationen Descartes' beschäftigte, der ohne seine  Gottesbeweise – und dem Beweis das Gott kein Täuschergott sein kann – nicht über das »Cogito ergo sum« hinauskommt, da las ich kleinen Kindern Märchen vor, auch das vom Rumpelstilzchen. Und da ist mir bewusst geworden: Wenn ich überhaupt nichts mit letzter Sicherheit wissen kann, dann muss ich in Erwägung ziehen, dass irgendwo in einem dunklen Wald verborgen eine kleine Hütte steht, in der ein kleines Männlein Stroh zu Gold spinnt. Und die Tafel der chemischen Elemente? (Gold ist eines davon.) Der zelluläre Aufbau des Lebens? (Also auch Gras/Stroh. – Alles dies lernte ich zu dieser Zeit erstmals durch das Lesen populärwissenschaftlicher Literatur.) Wissenschaftliche Thesen mögen ja in letzter Instanz  Hypothesen sein. Aber sind sie Märchen qualitativ gleichwertig? In gleicher Weise bezweifelbar? Und da habe ich mir gesagt: Über die Vernunft hinaus. Okay! Aber nicht hinter die Vernunft zurück! (Mir ist nicht bekannt, dass irgendwo Philosophen, egal wie ihre Grundpositionen auch immer sind, Debatten darüber führen, ob die Märchenfiguren wirklich existieren. Es gibt Debatten über Gottesbeweise, aber es gibt keine Debatten über »Papa-Schlumpf-Beweise«. Bei dem Poststrukturalisten  Jean-François Lyotard geht es allerdings stark in diese Richtung! Bei aller Vielfalt in der Philosophie sind das allerdings Positionen, die von fast niemanden Ernst genommen werden.) Zurück zum Text


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