Ernst Cassirer

Ernst Cassirer (1874–1945), deutscher Philosoph jüdischer Abstammung aus Breslau. Professor in Hamburg 1919–33. Dann Emigration. Professor in Oxford 1933–35, Göteborg (Schweden) bis 1941, dann in New York. Cassirer wird in der Fachliteratur als letzter überragende Denker des Neukantianismus und speziell der  Marburger Schule bezeichnet.

So wie Cohen und Natorp an Kant anknüpften, um über ihn hinauszugehen, so knüpfte Cassirer an diese beiden an, um über sie hinauszugehen. Für Cohen und Natorp war Erkenntnis im wesentlichen gleichbedeutend mit wissenschaftlicher Erkenntnis, mit Mathematik und Naturwissenschaft. Cassirer untersucht dagegen auch die Geisteswissenschaften bzw. Kulturwissenschaften, die Kunst, die Sprache, die Mystik, die Religion als gegenüber der Wissenschaft selbständige und andersartige Welten.

Die gesamte kulturell-geistige Wirklichkeit sei eine Vielheit von Bildwelten deren symbolische Formen autonome Schöpfungen des Geistes seien. Erst durch die sinnverleihende Formung durch den Geist würden die Erscheinungen zur Welt als einem objektiven Sinnzusammenhang. Die Geistesgeschichte der Menschheit sei ein symbolgestaltender Ideenprozess. In ihm komme der Mensch zur Freiheit, wachsender Selbstbewusstheit und Selbstbestimmung.

Nach Cassirer können wir nie und nirgends Wirkliches unmittelbar erfassen oder wiedergeben. Wir bedürften immer der Vermittlung durch ein System von Symbolen oder Zeichen. [Erfassen und Wiedergabe sind zwei verschiedene Vorgänge. Zur Wiedergabe brauchen wir Zeichen. Ob wir zum Erfassen Symbole und Zeichen brauchen, ist eine andere Frage. Mystiker werden auf das unmittelbare Erfassen – zum Beispiel des göttlichen Urgrundes – hinweisen. Außerdem besteht hier das Problem, das man früher schon mit dem Begriff des Seins bei den alten  Griechen hatte. Was versteht man überhaupt unter Wirklichkeit? Sind die Symbole und Zeichen, in dem Moment, wo sie einmal geschaffen sind, nicht auch Wirklichkeit?]


Kommentare anderer Philosophen zu Cassirer

»Er war einer von den wenigen in unserer Generation, die einem helfen, so etwas wie den Glauben an die Menschen aufrecht zu erhalten. Ein klarer sauberer Geist und ein abgeklärter verständnisvoller Mensch wie selten einer zuvor, und dabei aufrecht und von einer natürlichen Würde. Seine Werke werden immer wieder denen Erleuchtung bringen, denen die allgemeinen Probleme der Erkenntnis am Herzen liegen, nicht nur Erleuchtung, sondern reine Freude, wie sie nur der künstlerische Mensch spenden kann.« Albert Einstein


Zitate von Cassirer

»Die Zivilisation ist eine ganz dünne Kruste über einem Vulkan.«

»Die einfachste und praegnanteste Definition, die eine philosophisch-gerichtete ›Anthropologie‹ für den Menschen zu geben vermöchte, wäre daher vielleicht die Bestimmung, dass er der ›Form fähig‹ ist. […] Seine charakteristische Stellung zur Welt wie seine Stellung zu den Gegenständen ist hierin beschlossen.«

»Unter einer ›symbolischen Form‹ soll jene Energie des Geistes verstanden werden, durch welche ein geistiger Bedeutungsgehalt an ein konkretes sinnliches Zeichen geknüpft und diesem innerlich zugeeignet wird.« [An das sinnliche Zeichen »TOR« wird ein Bedeutungsgehalt geknüft, der diesem sinnlichen Zeichen überhaupt erst eine Bedeutung gibt. Näheres  hier.]

»Nicht das bloße Betrachten, sondern das Tun bildet vielmehr den Mittelpunkt, von dem für den Menschen die geistige Organisation der Wirklichkeit ihren Ausgang nimmt.« [Die Wirklichkeit – zumindest die von uns erlebte – wird nicht beim Erkennen vorgefunden, sondern geschaffen.]

»Im ganzen genommen könnte man die Kultur als den Prozess der fortschreitenden Selbstbefreiung des Menschen beschreiben. Sprache, Kunst, Religion und Wissenschaft bilden unterschiedliche Phasen in diesem Prozess. In ihnen allen entdeckt und erweist der Mensch eine neue Kraft, die Kraft, sich eine eigene ›ideale‹ Welt zu errichten.«

»Die Wissenschaft gibt uns Ordnung im Denken; die  Moral gibt uns Ordnung im Handeln; die Kunst gibt uns Ordnung in der Auffassung der sichtbaren, greifbaren und hörbaren Erscheinungen


Literatur:

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