Konstitutionstheorie

Die Konstitutionstheorie besagt im Grundsätzlichen: Die von uns erlebte Welt wird (nach bestimmten in uns liegenden Regeln) von uns »konstituiert«, oder anders ausgedrückt »geschaffen«. Die von uns erlebte Wirklichkeit bzw. Realität existiere unabhängig von diesem Prozess des Konstituierens überhaupt nicht. Und dies träfe nicht nur für die Teile der Welt zu, von denen wir auch ohne philosophische Überlegungen annehmen, dass wir sie schaffen – Häuser, Straßen, Kleidung, Maschinen etc. –, sondern auch für die Teile der Welt, von denen der »gesunde Menschenverstand« annimmt, dass sie unabhängig von unserem Schaffen existieren – Bäume, Tiere, Berge, Sterne etc. Dies ist eine Absage an jede Form des Naiven Realismus, z. B. der  Widerspiegelungstheorie Lenins. Ein wichtiger Vertreter der Konstitutionstheorie war Kant, der behauptete, wir Menschen würden sogar die Naturgesetze in die Welt tragen, unabhängig von uns seien dort keine.

Häufig spielen in Konstitutionstheorien  Begriffe und Sprache eine große Rolle. Ohne diese könnten wir uns nach Auffassung vieler Philosophen keine Welt konstituieren.

Carnap war überzeugt, mit seiner Konstitutionstheorie den Gegensatz von  Materialismus und  Idealismus überwunden zu haben. Horkheimer dagegen vertrat eine »materialistische Konstitutionstheorie«, die im Grundsatz besagt, dass die Menschen sich die Welt konstituieren, aber nicht nach freiem Belieben, sondern auf Basis realer materieller Lebensgrundlagen, natürlicher wie gesellschaftlicher. Habermas hat in diesem Punkt an Horkheimer angeknüpft.

Eine (in der Regel) radikalisierte Form der Konstitutionstheorie ist der Konstruktivismus. Die Grenzen zwischen diesen beiden Theorien sind allerdings fließend. In einigen ihrer konkreten Formen sind sie klar abgrenzbar, in anderen Formen sind sie synonym.

Die Konstitutionstheorie wird vielen Menschen, die sich nicht näher mit Philosophie beschäftigen, auf den ersten Blick als Blödsinn erscheinen, als weltfremde Kopfgeburten irgendwelcher Spinner. Aber auch aus Sicht der modernen Naturwissenschaft konstituieren wir Menschen unsere Welt. Danach sieht es so aus: Um uns herum existieren Materieformen und Strahlungen – die für sich allein überhaupt keine Ähnlichkeit mit unserer menschlichen Welt haben. Ein Teil davon hat eine Wirkung auf unsere Sinne. Auf Basis dieser Sinneseindrücke, sowie angeborener und erworbener Arbeitsweisen erstellt sich das Gehirn ein Bild, das wir für die Welt halten, das aber unabhängig von uns nicht existiert. (Näheres in der Anmerkung 14 von Meiner Philosophie.) Allerdings existiert für die Naturwissenschaft unabhängig von uns Menschen die materielle Welt (Unterschied zu den  Subjektiven Idealisten) und die Naturgesetze (Unterschied zu  Kant).

Dass wir bei aller Konstitution unserer subjektiven Welt auch in einer objektiven Welt leben, habe ich in meiner  Kritik des Radikalen Konstruktivismus aufgezeigt.


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