Der Naive Realismus

Der Mensch geht normaler Weise davon aus, dass die Welt, die er um sich herum wahrnimmt, besonders sieht, auch unabhängig von ihm so existiert, auch wenn er oder ein anderes Wesen sie nicht wahrnehmen würde. Und diese Welt, die er sieht, das ist auch die Welt schlechthin. Eine andere Welt gibt es nicht. Eine solche Einstellung nennt man in der Philosophie »Naiven  Realismus«.


Meine Auffassungen zum Naiven Realismus

Sowohl aus philosophischer wie aus  naturwissenschaftlicher Sicht kann man heute sagen, dass die Welt, in der wir uns erleben, unser geistiges Produkt ist. Unabhängig von uns mag es durchaus bestimmte objektive Tatbestände geben, von denen ein Teil über die Sinnesorgane das Gehirn erreichen und dem menschlichen Geist als Rohmaterial dienen. Wir können uns die Welt nicht nach freiem Belieben schaffen. Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass die Welt, in der wir leben, die wir wahrnehmen, besonders sehen, unser geistiges Produkt ist und ohne uns Menschen so nicht existiert. [1]

Neben den objektiven Tatbeständen, die eine Wirkung auf unsere Sinne haben und damit an der Entstehung unserer Welt beteiligt sind, gibt es sehr wahrscheinlich auch objektive Tatbestände, die auf unsere Sinne keine Wirkung haben und deshalb an der Entstehung unserer Welt nicht beteiligt sind.

In was für einer Welt wir leben, hängt zumindest teilweise von unserem teils angeborenen, teils erworbenen quantitativen und qualitativen Erkenntnisvermögen ab. Wobei »Erkenntnisvermögen« auch immer »Schaffensvermögen« bedeutet. [2]

Beim Naiven Realismus handelt es sich nicht um ein rein akademisches Problem. Wenn wir z. B. unsere Haustiere richtig behandeln wollen, dann müssen wir Wissen, dass sie – auch wenn sie um uns herum existieren – in einer anderen Welt leben als wir. Aber auch die verschiedenen Menschen leben in verschiedenen Welten! Viele – nicht etwa alle – Konflikte zwischen den Menschen haben ihre Ursachen darin, dass dies nicht genügend bekannt oder berücksichtigt wird. Wenn die  Musik, die ich in den 60er Jahren gehört habe (und auch heute noch höre), auf meinen Vater die gleiche Wirkung hatte, wie auf mich Techno-Musik, dann kann ich heute verstehen, warum er sie als »Krachmusik« bezeichnet hat.

Wir leben in einer objektiven Welt, haben als Erkenntnisse und Erlebnisse aber immer nur unser subjektives, individuelles Bild von dieser Welt. Die Bilder, die die verschiedenen Menschen sich von der Welt machen, sind verschieden. Würde es aber gar keine Übereinstimmung in diesen Bildern geben, dann könnten die verschiedenen Menschen nicht zusammenleben. Näheres hierzu im philolex-Beitrag Evolutionären Erkenntnistheorie und in meinem Essay Wissen, Vermutungen und Praxis.


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Anmerkungen

Anm. 1: Und das trifft auch für unseren Körper, für unsere Sinnesorgane, für unser Nervensystem und unser Gehirn zu. (Was einige  Radikale Konstruktivisten scheinbar nicht berücksichtigen.) Das Einzige, das nicht Produkt unseres Geistes sein kann, ist der Geist selbst. Zurück zum Text

Anm. 2: Es gibt meiner Überzeugung nach ganz einfache Beispiele dafür, dass der Mensch nicht einfach nur die von ihm unabhängige Welt widerspiegelt, wie z. B.  Lenin behauptet hat. Wenn über einer Einfahrt »TOR« steht, dann nicht deshalb, weil dies ein objektiver oder vom Betrachter unabhängiger Tatbestand ist, sondern weil der Betrachter der deutschen Sprache mächtig ist und lesen gelernt hat. Ein Russe, Araber oder Chinese der nur seine Sprache und seine Buchstaben kennt, der erlebt beim Anblick »TOR« etwas ähnliches. was wir beim Anblick von »Þ¥µ« erleben. Näher ausgeführt habe ich in Meiner Philosophie. Dort sind auch weitere Beispiele aufgeführt. Zurück zum Text


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