Peter Möller

Zusammenfassung von Teilen des Buches
›Innenansichten eines Artgenossen‹
von Hoimar von Ditfurth

(Seitenzahlen beziehen sich auf 4. Aufl., Düsseldorf: Claassen, 1990)


Kapitel: Das Universum als Geschichte, S. 232–241

239–241 ›Zufälligkeiten‹ ohne die das Leben nicht hätten entstehen können.
Die Expansion des Universums durfte keine beliebige Geschwindigkeit haben. Eine zu langsame Ausdehnung hätte dazu geführt, daß schon früh die Gravitation die Oberhand gewonnen hätte und das Universum in sich zusammengestürzt wäre, bevor sich nennenswertes in ihm hätte entwickeln können. Eine zu starke Expansionsgeschwindigkeit hätte aber die Gravitation so überspielt, daß sich keine Sonnen hätten bilden können. Der Urknall hat dem Universum exakt den Schwung mitgegeben, der unsere Entstehung ermöglichte. Zufall? – Die Schwerkraft ist um den Faktor 10 hoch 40 schwächer als die Kernbindungskräfte. Wäre die Schwerkraft weniger schwächer, dann hätten sich erheblich kurzlebigere Sonnen entwickelt, auf deren Planeten in der Kürze der Zeit keine chemische und dann biologische Evolution hätte ablaufen können. Zufall? – Würden die Kernbindungskräfte nur geringfügig oberhalb oder unterhalb dessen liegen, was die Physiker inzwischen als Naturkonstante registriert haben, wären nie die Fusionsprozesse in Gang gekommen, durch die in den Zentren der Sonnen die uns bekannten chemischen Elemente zusammengebacken wurden. Zufall?
Ditfurth zitiert den Physiker Freeman Dyson mit den Worten: »Es ist fast so, als ob das Universum gewußt hätte, daß es uns eines Tages geben würde.«

Es gibt Grenzen geistiger Freiheit, die in der menschlichen Natur liegen. Der Mensch ist durch seinen Erkenntnisapparat nicht ins Absolute versetzt.

Ditfurths Interpretation Kants


Kopf und Kosmos S. 241–250

244f In Wahrheit spielt sich das, was wir von der Welt wahrnehmen in unserer Großhirnrinde ab. »Es ist ein unerklärbares Geheimnis, wie es kommt, daß wir das, was sich an abstrakten (keineswegs mehr bildähnlichen) Nervenimpulsmustern an dieser Stelle unserer Großhirnrinde abspielt, als ›vor unseren Augen‹, in einer Außenwelt gelegene Objekte anschaulich zu sehen vermeinen. Es gebe für dieses Weltall keinen anderen Ort als die menschliche Seele, konstatierte schon im dritten Jahrhundert der griechische Philosoph Plotin. Was in Wahrheit der Erklärung bedürfte (es existiert keine !), ist der Umstand, daß unser Augenschein uns in unserem alltäglichen Welterleben fortwährend das Gegenteil suggeriert.«

245f Die Welt, in der wir leben, und das Abbild, das sich unser Gehirn von der Welt macht, sind zwei verschiedene Dinge. Das haben viele Philosophen bereits behauptet, in unserem Jahrhundert wurde es von der Naturwissenschaft bestätigt, z. B. von der Relativitätstheorie. Raum und Zeit unserer menschlichen Anschauung ist nicht mit Raum und Zeit in der objektiven Realität identisch.

Interessant ist, wie Ditfurth im Lichte der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse des 20. Jahrhunderts die Auffassungen  Kants über Raum und Zeit darstellt: Unsere menschliche Vorstellung von Raum und Zeit tragen wir Menschen in die Welt hinein, aber nicht jegliche Form von Raum und Zeit. Es gibt eine objektive Zeit und einen objektiven Raum. Aber der objektive Raum ist ›nichteuklidisch'‹, nicht grenzenlos, sondern immer in sich zurückgekrümmt. Die objektive Zeit ist relativ, hängt ab, von Massen und deren Bewegung. Eine solche Auffassung von Raum und Zeit ist mir plausibler als die original kantische.

»... die Welt, an deren objektiver Existenz außerhalb unseres Kopfes wir nicht zweifeln wollen ...« (245) Warum ›wir‹ daran nicht zweifeln wollen, sagt er uns allerdings nicht. Ich gehe davon aus, daß Ditfurth einfach zu sehr Naturwissenschaftler und dann auch noch Neurologe war, als daß er bereit gewesen wäre, die objektive Existenz des Gehirns zu bezweifeln. Ditfurth bezieht in seine naturwissenschaftlichen Betrachtungen philosophische Gesichtspunkte ein. Das unterscheidet ihn positiv von vielen anderen Autoren naturwissenschaftlicher Texte. Aber letztendlich ist er eben Naturwissenschaftler und kein Philosoph. Und vielleicht auch deshalb ist er letztendlich nicht kritisch genug. Das ändert aber nichts daran, daß seine Bücher sehr zu empfehlen sind.

247f Evolutionäre Erkenntnistheorie: Kategorien wie Zeit, Raum und Kausalität sind angeboren. Nicht das einzelne Individuum hat sie durch Erfahrung erworben, aber die Gattung über viele Generationen. Unser Gehirn und unsere Sinnesorgane haben sich entwickelt, um uns das Überleben zu ermöglichen. Dafür ist aber keine 100%ige Übereinstimmung zwischen der objektiven Welt und unserem Bild von dieser Welt nötig. Eine gewisse Nähe zu bestimmten Aspekten dieser objektiven Welt reicht. Die Natur operiert nicht zuletzt auch nach ökonomischen Prinzipien. Was nicht gebraucht wird, wird nicht realisiert. [Hier besteht aber das Problem, warum wir denn soviel erkennen können, was wir für das Überleben nicht benötigen. Intellektuelle Fähigkeiten als nicht notwendige Begleiterscheinungen der Entwicklung unserer Erkenntnismöglichkeiten?]


Die Welt ist nach oben offen, S. 250–258

[Dieses Kapitel ist nach meinem Dafürhalten eine Plädoyer für die Selbstevolution des Menschen, auch wenn Ditfurth sich dessen vielleicht gar nicht bewußt war. Sehen Sie hierzu Über die Notwendigkeit der Entstehung höherer Arten.]

Jedes Lebewesen, selbst schon der Einzeller ›weiß‹ ›etwas‹ von der Welt. ›Wissen‹ bedeutet auf sehr niedriger Entwicklungsstufe lediglich, zweckmäßig reagieren können. ›Etwas‹ bedeutet einen gewissen Teil von dem, was alles existiert. Je nach Entwicklungshöhe der Lebewesen ist ihr Weltbild armseliger oder umfangreicher im Vergleich mit dem Weltbild anderer Lebewesen. Aber egal auf welcher Entwicklungshöhe sich ein Lebewesen befindet, sein Weltbild ist aus seiner subjektiven Perspektive vollständig. Es enthält keine Lücken. Was dort nicht vorkommt, existiert eben nicht.

Subjektive Lückenlosigkeit und Erfolg im praktischen Leben sind kein Beweiß dafür, daß wir die ganze und wirkliche Welt in unserem Bewußtsein widerspiegeln. Alle auf niedrigerer Entwicklungstufe stehenden Lewesen können das gleiche für sich in Anspruch nehmen.

Wir Menschen haben durch Wissenschaft und Technik den uns angeborenen Erkenntnishorizont transzendiert, überschritten. Mit Hilfe von technischen Geräten und abstraktem Denken erkennen wir Teile der Wirklichkeit, die uns von unserer Natur aus nicht wahrnehmbar sind. Darüber hinaus haben die Klügsten unter uns mit der Hilfe abstrakter mathematischer Formeln Strukturen der Wirklichkeit nachgewiesen, die uns nicht nur nicht wahrnehmbar, sondern auch unvorstellbar sind, z. B. die Relativität von Raum und Zeit. Eine atemberaubende Leistung, die uns von allen anderen Lebewesen dieses Planeten unterscheidet. Aber diese Leistungen bedeuten nicht, daß der Mensch sich die Welt grundsätzlich und ohne verbleibenden Rest erschlossen hätte. Wir sind nicht, wie einige Philosophen behaupten, mit unserem Erkenntnisapparat ins Absolute versetzt.

Dies liefe nämlich »auf die Vermutung hinaus, daß wir, der Homo sapiens, nach rund vier Milliarden Jahren irdischer Lebensgeschichte heute definitiv die alleroberste Sprosse aller Möglichkeiten der Evolution darstellten. Just in unserer Gegenwart und verkörpert durch uns selbst hätte die Entwicklung demnach den obersten Gipfel erklommen. Und dreizehn Milliarden Jahre kosmischer Geschichte hätten zu nichts anderem gedient, als uns und unsere gegenwärtige Situation hervorzubringen.« Nach Ditfurth antropozentrische Vermessenheit. [Ich würde noch hinzufügen ›egozentrische Vermessenheit‹, da nicht die menschliche Erkenntnisfähigkeit, sondern die der gegenwärtigen Menschen und noch genauer, die des jeweils urteilenden Individuums verabsolutiert wird.] »Wir müssen die Möglichkeit einräumen, daß der Unterschied zwischen uns und der Amöbe vor unseren Augen fast zur Bedeutungslosigkeit schrumpfen könnte, wenn wir den noch vielfach gewaltigeren Abgrund zu sehen vermöchten, der auch uns noch immer von der ›Wahrheit der Welt‹ trennt.«

255f Die Evolution wird weitergehen. [Aber das der Mensch die Evolution bewußt und gezielt selbst betreiben wird, darauf scheint Ditfurth nicht gekommen zu sein. Ich weiß das allerdings nicht mit Sicherheit, da ich nicht alles von ihm gelesen habe.]

Durch Medizinischen Fortschritt und Sozialgesetzgebung haben wir die natürlichen Selektionskreterien durch andere ersetzt. Wir haben unsere Selbstevolutionierung bereits begonnen. [So betrachtet wäre die Gentechnik am Menschen nur der nächste Schritt und nicht etwas gänzlich neues. Aber es ist schon ein qualitativer Sprung.]


»Vor allem aber möchte ich unterstreichen, daß mein Argument – die Erschließung neuer Welthorizonte im Falle einer evolutiven Weiterentwicklung über die bis heute biologisch verwirklichten kognitiven Funktionen hinaus – prinzipiellen Charakter hat: Es gilt völlig unabhängig von der Frage, ob es dazu auf diesem Planeten kommen wird. Wenn, das ist alles, was ich behaupte, uns haushoch überlegene Lebensformen die Welt betrachteten, dann würden sie mit ihren den unsrigen so weit überlegenen Erkenntnisapparaten jenseits der Grenzen des uns zugänglichen Weltbildes gewiß nicht auf lauter weiße Flecken stoßen, sondern auf Eigenschaften der objektiven Realität, die für uns unwahrnehmbar, unvorstellbar und unausdenkbar sind. Die Welt ist oberhalb der von uns erreichten Stufe der Erkenntnis nicht zu Ende. Sie ist nach oben offen. Die gegenteilige Annahme wäre Ausdruck anthropozentrischer Vermessenheit reinsten Wassers, vergleichbar nur mit dem jahrtausendelang die Köpfe der Menschen beherrschenden Wahn, sie befänden sich mit ihrer Erde im Mittelpunkt des ganzen Weltalls.«



(Innenansichten ..., Kapitel: Die Welt ist nach oben »offen«, letzter Absatz. Dies ist nach meinem Dafürhalten die beste und wichtigste Aussage, die Ditfurth in seinen Büchern gemacht hat. Aber er denkt nicht konsequent zu Ende! Unser heutiges Wissen wird sich dann in einem anderen Licht darstellen.)


Zufall und Notwendigkeit, S. 258–268

258f Unsere Existenz wurde schon kurz nach dem Urknall vorbereitet. – 259 Gegen Monod, der im existentialistischen Denken gefangen war. – Anthrophisches Prinzip: Das Universum trat mit Naturkonstanten und Naturgesetzen an, die für alles Leben gerade maßgeschneidert waren. – 260 Die Wünschbarkeit einer Sache sagt nichts über ihre Existenz. Aber der Umkehrschluß ist genauso falsch. »Gott ist eine Wunschvorstellung.« Richtig. »Gott ist nur eine Wunschvorstellung.« Unbewiesene Behauptung. – 261 Wir existieren nicht zufällig. Aber zu sagen, unser Auftritt sei vorbestimmt, wäre der entgegengesetzte Fehlschluß. – Wir sind notwendigerweise und zufällig entstanden. – 262f Vom Wert des Zufalls, ohne den es keine Freiheit gäbe. Aber entfalten konnte sich dieser Zufall nur in einer Welt mit festen Ordnungsstrukturen. –

Wir sind das Ergebnis von Zufall und Notwendigkeit. »Wie das? fragt erschrocken sogleich unser ›gesunder Menschenverstand‹, der hier wieder einmal nicht gleich mitkommt (und das, wie stets, in aller Unschuld für ein Gegenargument hält).« (S. 262)


Kapitel: Leben und Zeit S. 268–277

268ff Unsere Stimmung wichtig für unser Erkenntnisvermögen und unsere Leistungsfähigkeit. – 270ff endogene Depression – hypochondrischer Wahn, Verarmungswahn, Versündigungswahn [ Luther!]. Anthropologisches Existential [Konstante]. Krankhafte Störung des Zeiterlebens. Unterschied objektive und gelebte Zeit. Zeiterleben hängt ab vom Inhalt. Negatives wird länger, positives kürzer erlebt.


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